Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula
Autoren: Roderick Anscombe
Vom Netzwerk:
bewegen. Der Pfahl saß zu tief in der Erde.
    Doch dann hielt Rado unmittelbar vor mir an und stieg ab. Zu meinem namenlosen Entsetzen zog er den Säbel aus der Scheide. Ich hörte die Klinge durch die Luft pfeifen, und mir wurde schwarz vor Augen. Ich dachte, ich wäre tot. Es war stockdunkel, und rings um mich herrschte Stille. Ich bewegte versuchsweise meinen Arm. Er kam mir schwer vor, gehorchte aber meinem Befehl. Meine Augen waren so fest zusammengedrückt, daß ich sie nur mit Mühe aufbrachte.

    Es war noch immer Morgen. Anscheinend war ich nur wenige Minuten bewußtlos gewesen. Nur war ich jetzt vollkommen allein. Von den Reitern fehlte jede Spur.
    An der linken Hand störte mich ein eigenartiges Ziehen. Erst vermochte ich es nicht einzuordnen, bis mir einfiel, daß ich ja noch immer an Gregor gekettet war. Ich setzte mich auf, und nun merkte ich, daß der Tote gar nicht mehr neben mir lag. Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen, was Rado mit seinem Säbelhieb bezweckt hatte. An meinem Handgelenk baumelte nur noch Gregors Unterarm. Dann wurde es wieder schwarz um mich.
    Wie lange hatte ich wieder das Bewußtsein verloren? Ich weiß es nicht. Ein Geräusch neben mir brachte mich zurück in diese Welt. Ich drehte mich um und erkannte Jakob. Er versuchte, den Pfahl aus Gregors Brust zu ziehen. Zu meiner Erleichterung hatte er das Inferno bis auf ein paar Abschürfungen unverletzt überstanden.
    Er stemmte sich in den Boden und zog mit aller Kraft – vergebens. Aus dem Erdreich vermochte er den Pfahl zwar zu ziehen, doch in Gregors Körper blieb er wie festzementiert stecken.
    »Warte, ich helfe dir«, sagte ich.
    Ich glaube, Jakob hatte mich bis dahin gar nicht bemerkt. Denn als ich aufstand und er mich mit dem an der Hand baumelnden Arm erblickte, stieß er einen Schrei aus und bekreuzigte sich.
    Wir zogen mit aller Macht, dann trugen wir den Toten zur Kutsche und legten ihn auf den Vordersitz. Eines der Pferde war erschlagen worden. Sein Tod entsetzte Jakob fast so sehr wie der des Priesters.
    Während er losging, um das andere Pferd zu suchen, sah ich mich benommen um. Auf dem Bahnhofsplatz, wo es vor kurzem noch von Menschen gewimmelt hatte, war jetzt keine Seele mehr zu sehen. Der Boden war übersät mit Kappen, Hüten und Körben, die bei der panischen Flucht weggeworfen und dann zertrampelt worden waren. Gott sei Dank gab es keine weiteren Leichen.
    Ein Mann kam auf die Kutsche zugehumpelt. Es war Kraus. In den Armen trug er ein kleines Mädchen, das anscheinend seine Mutter verloren hatte.
    Wie sich herausstellte, war der Schlüssel für die Handschellen verlorengegangen. Wir fuhren langsam durch die verlassene Stadt. Kraus saß mit dem Mädchen auf dem Schoß neben mir und versuchte, es zum Sprechen zu bringen. Und tatsächlich gelang es ihm, ihm alles mögliche über seine Schwestern zu entlocken. Ich muß gestehen, daß ich ihm soviel Geschick nie zugetraut hätte.
    Obwohl die Sonne warm schien, zog ich meinen Umhang fester um mich und drückte Gregors Arm wie ein totes Kind an mein Herz.

    ABEND

    Ich fühle den Sog meiner Bestimmung. Ich brauche mich nur dem Strom anzuvertrauen und mich treiben zu lassen. Leicht fällt es mir nicht, was aber nicht am fehlenden Mut liegt. Ich habe keine Angst. Was immer mich in der Schlucht erwartet, ich werde es hinnehmen. Nein, der Grund für mein Zögern ist die mangelnde Bereitschaft, mich fallen zu lassen. Ich will meinen freien Willen nicht opfern, meine letzte Bastion im Kampf gegen die Bestie in mir.
    Gut, ich werde mich Rado fügen. Wer hätte ahnen können, daß dieser strenge Befehlshaber seine Mission aufs Spiel setzen würde, nur um eine wildgewordene Meute auseinanderzutreiben? Was für eine romantische Vorstellung nur in ihn gefahren war? Er hatte geschworen, eine ganze Nation zu retten, und hatte sein Leben für einen einzelnen Mann riskiert. In diesem Moment errichtet ein Regiment der Gebirgsjäger außerhalb der Stadt ein Lager, doch weder Kraus noch Theissen, noch sonst eine Amtsperson weiß etwas von ihnen. Und von den Zigeunern fehlt jede Spur.
    Ich halte es für das wahrscheinlichste, daß die Verschwörung aufgeflogen ist.
    Das soll meine weiteren Handlungen aber nicht beeinflussen. Ich werde alle Befehle ausführen. Darum habe ich Jakob bei Einbruch der Dunkelheit losgeschickt, damit er für mich die Gegend erkundet. Er ist noch nicht zurückgekehrt.
    Beim Abendessen hörten wir in der Ferne den Knall einer Kavalleriepistole.
    Ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher