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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia
Autoren: Michael Gerber
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Es waren einmal vier Kinder, die hießen: Pete, Sue, Ed und Loo Perversie. Ihre Eltern verkauften sie für medizinische Experimente an einen alten Professor. Nun, genau genommen vermieteten sie sie - wir wollen nicht übertreiben. Diese Geschichte erzählt etwas von dem, was ihnen dort widerfuhr.
    Eines frühen Morgens wurden Pete, Sue, Ed und Loo ganz und gar gegen ihren Willen sorgfältig in Packpapier eingewickelt und per Post zum Haus des Professors geschickt. Dieser wohnte buchstäblich am Arsch der Welt, zehn lange Meilen von der nächsten Polizeiwache entfernt - und zwar aus gutem Grund. So manches, was in dem Haus vor sich ging, war etwas zwielichtig, doch das bringt der wissenschaftliche Fortschritt nun mal mit sich. Der Professor, der seinen Titel im Internet gekauft hatte, war unverheiratet (Trau, schau, wem!) und lebte in einem großen, schwer bewachten Herrenhaus mit einer Haushälterin, Frau MacBeth, und diversen Zimmermädchen, die es allesamt nicht wert sind, eine Rolle in der Geschichte oder auch nur einen Namen zu bekommen. Keine Sorge, ich werde sie nicht wieder erwähnen.
    Der Professor hatte weißes Haar und einen mächtigen, furchteinflößenden Backenbart, wie ihn die Kinder nur einmal zuvor gesehen hatten: auf gespenstischen Bildern von Isaac Asimov. Er trug einen weißen Arztkittel und hatte ein
    Stethoskop um den Hals, mit dem er permanent irgendetwas abhorchte, bis hin zu Tischen und Stühlen. Als der Professor an die Haustür kam, um sie auszupacken und zu filzen, rumorte der Drang zu fliehen wie Blubberwasser im Bauch der vier Perversie-Kinder. Aber es erschien ihnen unhöflich, einfach so wegzulaufen, zumal die Putzfrauen Uzis unter ihren Schürzen trugen.
    Und so standen sie in der prunkvollen Eingangshalle des Hauses, während Frau MacBeth die Bindfäden durchschnitt und die Briefmarken ablöste (wobei sie Ed einen Teil der Augenbraue ausriss). Als alle ausgepackt waren, kontrollierte der Professor ihre Zähne und grunzte zufrieden. Obwohl keins der Kinder je in Schweden gewesen war, wurden alle sogleich vom Stockholm-Syndrom befallen: Sie mochten den Professor und vertrauten ihm blind - das heißt, alle außer dem jüngeren der beiden Brüder, Ed.
    Ed war das klügste der Perversie-Kinder und hatte es dementsprechend schwer. Sein Bruder Pete hatte praktisch pausenlos eine Gehirnerschütterung von den vielen Kricketbällen, die er immer wieder direkt auf die Stirn bekam. Seine Schwester Sue war durchschnittlich intelligent und vor allem geistig mehr oder weniger gesund, aber sie betrachtete unkonventionelles Denken als Zeichen für einen schlechten Charakter und war daher so unglaublich langweilig, dass man sich am liebsten eine Gabel ins Auge gebohrt hätte.
    Und die Kleinste, die arme, unablässig wirres Zeug plappernde Loo? Niemand wusste so genau, was mit ihr los war, aber sie geriet ständig in Schwierigkeiten. Ein ratloser Arzt hatte das Mädchen einmal, um es schnellstmöglich wieder loszuwerden, als »Genie der Selbstzerstörung« bezeichnet.
    Sue, die Einzige mit einem Funken Verantwortungsgefühl, hatte alle Hände voll zu tun, Loo daran zu hindern, sich aus Versehen zu vergiften, zu ersticken, sich aufzuschlitzen, alle Knochen zu brechen oder sonst irgendwie zugrunde zu richten. An manchen Tagen konnte man sich des Gedankens nicht erwehren, dass man sie vielleicht einfach gewähren lassen sollte - wie zum Beispiel jetzt. Innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Ankunft im Haus des Professors war Loo auf einen Tisch geklettert und versuchte vergeblich, am Ventil einer Gaslampe aus Viktorianischer Zeit zu nuckeln, die allerdings nicht angeschlossen war.
    Ed sah ihr gelassen zu. »Memo für mich selbst«, sprach er in seinen erhobenen Zeigefinger. »Betr.: Loos Verhalten.« Ed Perversie war fest entschlossen, einmal reich und mächtig zu werden. Als Erstes brauchte er dazu seiner Meinung nach ein Diktiergerät, um keine der vielen brillanten Ideen und Beobachtungen zu vergessen, die Tag für Tag nur so aus ihm hervorsprudelten. Er hielt diesen Wunsch für vollkommen plausibel, aber als er seine Eltern gebeten hatte, ihm eins zu kaufen, hatten sie ihn bloß verständnislos angestarrt. In Eds Augen war das nur ein weiterer Beweis für die Beschränktheit Herrn und Frau Perversies, die sie zu einem Leben in Armut und Elend verdammte. Ed wusste noch nicht recht, ob er sie im Alter unterstützen würde. Wahrscheinlich schon, und sei’s nur, um ihnen eins auszuwischen.
    Ed hatte
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