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Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Titel: Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
Autoren: Nancy Atherton
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    SCHON VOR JAHREN habe ich damit aufgehört, Zeitungen zu lesen, und ich erspare mir auch die Nachrichten im Fernsehen. In Bezug auf das große Ganze mag das verantwortungslos erscheinen, aber auch damit ist Schluss: mit dem großen Ganzen.
    Ich habe das einfach nicht mehr ausgehalten.
    Endlose Geschichten über herzzerreißende Katastrophen, die sich rund um den Erdball ereigneten, bestärkten mich nicht gerade in meiner Entschlossenheit, die Welt lebenswerter zu machen. Das gnadenlose Sperrfeuer aus Hiobsbotschaften zermürbte mich, erfüllte mich mit Verzweiflung, mit dieser lähmenden Hoffnungslosigkeit, die alle Protestschreie des Herzens ersterben lässt. In meiner großen Schwermut kam ich mir klein, schwach und nutzlos vor, unfähig, jemals einem Menschen zu helfen.
    Es war töricht, mich so zu fühlen. Ich war weder klein noch schwach, und nutzlos war ich nur dann, wenn ich mich dafür entschied, es zu werden. Ich war Mitte dreißig, hatte einen Mann, der mich liebte, wunderbare Zwillingssöhne, strotzte vor Gesundheit, und finanzielle Sorgen kannte ich nicht. Von der besten Freundin meiner Mutter hatte ich ein Vermögen geerbt, und mein Mann, Bill, stammte aus einem gut betuchten Clan aus Boston-Brahmin, sodass ich durchaus die Mittel hatte, ansehnliche Beträge für gute Zwecke zu spenden, was ich auch tat. Ich unterstützte Alphabetisierungskampagnen, Unterkünfte für in Not geratene Familien, Projekte der Welthungerhilfe und, nicht zu vergessen, ein Schutzgebiet für Orang-Utans sowie natürlich »Aunt Dimity’s Attic«, die Kette von Wohltätigkeitsläden.
    Doch lediglich Gelder in eine Pipeline zu schleusen, die in die Ferne führte, erschien mir zu einfach, zu anonym. Ich wollte mehr tun. Ich wollte meine Zeit und Energie für etwas verwenden, das mir wirklich am Herzen lag. Und was mir am meisten bedeutete, das waren Menschen.
    Statt mir die Haare zu raufen, weil es einfach nicht möglich war, die Übel der Welt zu beseitigen, richtete ich den Blick auf die Beseitigung von Übeln, die meiner Heimat viel näher lagen. Und meine Heimat war ein honigfarbenes Cottage im Dörfchen Finch in den westlichen Midlands von England. Auch wenn mein Mann, meine Söhne und ich Amerikaner waren, lebten wir inzwischen so lange in England, dass wir das Gefühl hatten, hierher zu gehören. Will und Rob, die gerade fünf geworden waren, kannten kein anderes Zuhause als das Cottage. Bill führte die europäische Zweigstelle der altehrwürdigen Anwaltskanzlei seiner Familie von einem Büro mit Blick auf den Dorfplatz aus. Und was mich betraf, war ich immer zur Stelle, sobald in Finch eine helfende Hand gebraucht wurde.
    Die ehrbaren Bürger von Finch wussten nicht so recht, was sie von einer Ausländerin halten sollten, die bei jeder Gelegenheit so bereitwillig für das Gemeinwohl einsprang. Andererseits wussten sie frisches Blut in ihren Reihen sehr wohl zu schätzen und gestatteten mir in echter Tom-Sawyer-Manier groß mütig, ihre Zäune zu streichen. Ich half Wohltätigkeitsbazare der Kirchengemeinde zu organisieren, sammelte nicht mehr benötigte Holzmöbel für die Freudenfeuer am Guy-Fawkes-Tag, strich Verkaufsstände für die Herbstjahrmärkte und baute jedes Jahr zu Weihnachten die Dekoration für die Krippenspiele auf. Gelegentlich wurde mir der Vorsitz bei einer Veranstaltung im Dorf angeboten, aber als ich mitbekam, was für verheerende Territorialkriege zwischen den mildtätigen Damen ausbrachen, die die angesehensten Projekte leiteten, beschloss ich wohlweislich, auf Nummer sicher zu gehen und mich bescheiden im Hintergrund zu halten.

    Auch wenn meine Fähigkeiten als Gärtnerin äu ßerst begrenzt waren, stand mein Name im Dienstplan der Pfarrkirche St. George’s für die Pflege der Blumenarrangements, und jeden zweiten Samstag polierte ich die Kirchenbänke. Einmal im Monat widmete ich einen Vormittag dem Kriegerdenkmal, von dem der Vogeldreck geschrubbt werden musste, und einen Nachmittag dem Kehren des Kirchhofs. Es versteht sich von selbst, dass ich Stammkundin der örtlichen Läden und Firmen war.
    Wenn ein Dorfbewohner krank wurde, schaute ich bei ihm vorbei, um das Geschirr zu spülen und eine Mahlzeit mitzubringen. Ich machte es mir zur Gewohnheit, meinen älteren Nachbarn Besuche abzustatten, um mich zu vergewissern, dass sie genug Lebensmittel im Haus hatten, eine Kanne Tee mit ihnen zu trinken und ein gemütliches Plauderstündchen zu genießen.
    Meine Söhne begleiteten mich bei meinen
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