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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia
Autoren: Michael Gerber
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eines schwabbeligen, grauhaarigen Mannes mittleren Alters! Während Loo entsetzt auf seinen schlaffen, zerfurchten Hintern starrte, hörte sie das Wesen etwas vor sich hin murmeln.
    »Oje, oje!« Es schaute auf seine Taschenuhr. »Ich komm zu spät!«
    Loo konnte nicht an sich halten. Empört trat sie hinter dem Ampelmast hervor und brüllte: »He! Das ist aus einem anderen Buch!«
    Als der Faun Loo erblickte, war er so überrascht, dass ein kurzer Strahl goldenen Urins in den Schnee spritzte. »Ach, du meine Güte!«, rief er aus und ließ all seine Pakete fallen.

»Urheberrechtsverletzungen sind kein Kavaliersdelikt«, sagte Loo so bestimmt, wie es einem Mädchen ihres Alters und ihrer Statur nur möglich war. »Außerdem sollten Sie vorsichtiger mit Ihren Paketen sein. Man kann nie wissen, ob da nicht Kinder drin sind.«
    Der Faun machte ein verdutztes Gesicht.
    »Kinderlandverschickung.« Immer noch Unverständnis. »Wegen des Krieges! Die Scheinbomben - die haben Sie doch bestimmt nicht gesehen?«, fragte Loo.
    Der Faun zuckte mit den Schultern.
    »Ich wette, Sie haben mit meinem Bruder Ed gesprochen«, grummelte Loo. »Ich hasse ihn.«
    »Ich versteh kein Wort von dem, was du da plapperst«, sagte der Faun und schob mit dem Fuß ein bisschen Schnee über die Spuren seines Missgeschicks. »Und von einem Löwenzahn lasse ich mich schon gar nicht herumkommandieren.«
    Jetzt war Loo verwirrt.
    »Ist doch offensichtlich: Du bist ein Löwenzahn«, sagte der Faun. Er fasste sich an den Kopf. »Oben gelb.«
    Loo klappte vor Verblüffung den Mund auf und zu, dann platzte sie heraus: »Ich bin keine Blume, ich bin ein Mädchen!«
    Der Faun sog die kalte Winterluft ein. »Äußerst unwahrscheinlich. In all meinen Büchern steht, dass Mädchen süß wie Honig sind. Du hingegen riechst wie eine uralte Milchtüte.«
    Loo, die nicht viel vom Duschen hielt und ziemlich oft vergaß, ihre Unterhose zu wechseln, wurde knallrot. »Ich bin kein Molkereiprodukt!«, beschwerte sie sich. »Ich bin ein Kind! Ich heiße Loo!«
    »Bist du vielleicht ein Handy? Die Technik macht ja heute die erstaunlichsten Dinge möglich.«
    Loo, die es nicht gewohnt war, die Schlauere zu sein, stapfte im Schnee auf und ab. »Nein! Nein! Nein! Ich bin ein Mädchen, ein Kind, ein Mensch!«
    Der Faun machte große Augen. »Eine Ewaldstochter - im Ernst?« Gänzlich unvermittelt begann er »We’re in the Mo-ney« zu singen.
    »Was für eine Tochter?«, fragte Loo.
    »Eine Ewaldstochter - du weißt schon: Atom und Ewald. Merkwürdig, dass keine Frau dabei war, aber es ist ja euer Schöpfungsmythos und nicht meiner«, sagte der Faun. »Aber Ewaldstochter ist gar nicht so übel. Wenn du einem bestimmten afrikanischen Stamm angehören würdest, würde ich dich >Palmkerntochter< nennen.«
    »Seh ich etwa wie eine Afrikanerin aus?«, fragte Loo.
    »Kein Grund, gleich ungehalten zu werden«, sagte der Faun. »Ich hab nur eine kleine Parallele zwischen zwei verschiedenen Religionen gezogen. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache, aber doch im Grunde harmlos. Ich wollte die Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen herausstellen, das Bedürfnis einer jeden Gemeinschaft, sich einen Mythos zuzulegen. Natürlich kommt der jedem Außenstehenden vollkommen absurd vor. Ich meine, eine Rippe!«
    Was auch immer dieser Typ da brabbelte, Loo glaubte nicht, dass ihre Eltern davon begeistert wären. »Zumindest laufe ich nicht mit nacktem Hintern herum«, versetzte sie.
    »Oh, nur zu«, sagte der Faun, »mach dich ruhig darüber lustig, dass ich ein senkrecht geteilter Faun bin und kein waagerechter. Glaubst du vielleicht, ich hab mir gewünscht, so zur Welt zu kommen?«
    Vor Verlegenheit wusste Loo nicht, was sie sagen sollte. »Ich glaube, meine Mutter ruft mich«, presste sie schließlich hervor und wandte sich zum Gehen.
    »Nein, nein, Ewaldstochter, geh nicht!«, sagte der Faun. »Meine Kleinste braucht neue Schuhe! Ich bin dein Freund!« Er hielt sie mit dem Griff seines Regenschirms am Arm fest. Die Hülle rutschte ab und entblößte ein Schwert. »Ha, ha! Das ist mein Pikser. Mein Müllpikser!« Hektisch pikste er ein paar herumliegende Blätter auf. »Ich tu dir nichts. Schieb das einfach wieder drauf, danke.«
    So ganz überzeugt war Loo nicht. »Jemand, der einem freundlich gesinnt ist, macht keine Bemerkungen darüber, wie man riecht«, sagte sie. »Sie riechen auch nicht besonders gut.«

    »Tut mir Leid. Bitte vergib mir, oh Loo, Ewaldstochter«, ließ der Faun
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