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Die Chroniken von Blarnia

Die Chroniken von Blarnia

Titel: Die Chroniken von Blarnia
Autoren: Michael Gerber
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seinen Charme spielen. »Ich bin zwar überdurchschnittlich intelligent, aber meine Manieren lassen zu wünschen übrig. Hast du schon mal vom Asperger-Syndrom gehört?«
    »Nein«, sagte Loo. Die Unterhaltung mit dem Faun kam ihr vor, als würde sie durch tiefen Schlamm waten, der einem die Gummistiefel auszieht. »Nichts für ungut, mein Herr, aber ich frage mich, ob wir dieselbe Sprache sprechen.«
    »Wirklich? Du liest wohl nicht viel, was?«, sagte der Faun. »Ihr gefällt es auch nicht, dass ich so intelligent bin. Sie will mich unbedingt unterbuttern. Deshalb nennt man mich Herr Dummnuss.«
    »Das ist aber nicht sehr nett«, sagte Loo. »Mein Bruder Ed nennt mich >00<. Warum, hat er mir nie gesagt.«
    »Ah, Diskriminierung«, sagte der Faun und streckte den Huf aus. »Der beste Kitt für eine knospende Freundschaft. Herr Dummnuss, zu Ihren Diensten.«
    Loo schüttelte ihm den Huf. »Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Herr Dummnuss.«
    »Wie bist du nach Blarnia gekommen?«, fragte Herr Dummnuss.
    »Blarnia? Heißt so der Garten des Professors?«
    »Das alles hier ist das Land Blarnia«, sagte der Faun. »Von der Verkehrsampel im Wald des Westens bis zu dem großen Schloss Cair Amel am östlichen Meer. Im Süden grenzt es an Oz, im Westen an Mittelerde und im Norden an Erfundien.«
    »Ich... ich bin durch den Schrank gekommen«, sagte Loo.
    Herr Dummnuss schaute sie ungläubig an. »Du bist durch einen Schrank hierher gekommen?«, fragte er. »Bist du high, oder was?«
    Loo wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ein Moment der Stille trat ein. Zerstreut malte Herr Dummnuss mit seinem Huf ein Pfund-Zeichen in den Schnee.
    »Also, ich glaube, ich sollte jetzt gehen...«, sagte Loo. »Ich muss noch ein Seitpferd suchen.«
    »Warte!«, sagte Herr Dummnuss. »Wie wär’s, wenn wir zu mir gehen würden... Wir trinken Tee! Und essen Kuchen! Sonst nichts. Kein... Kidnapping oder so. Buaha, ha, ha!«
    Loo fand, dass Herrn Dummnuss’ bösartiges Lachen etwas äußerst Beruhigendes hatte. »Was ist >Kidnapping    »Das erklär ich dir unterwegs«, sagte Herr Dummnuss, schleuderte seine Pakete in eine Schneewehe und packte Loo am Arm. »Sag mal, bestehst du eigentlich ganz und gar aus Honig?«
    Während die beiden durch den Wald gingen, bemühte sich Herr Dummnuss nach Kräften, gegen Loos unfehlbaren Selbstzerstörungsinstinkt anzukämpfen. Auf dem kurzen Weg zu seinem Haus fiel Loo fast in eine Schlucht, versuchte vergeblich, einen Bären aus dem Winterschlaf zu wecken, und hätte sich um ein Haar in eine stillgelegte Silbermine gestürzt. Schließlich drehte sich Herr Dummnuss in einer kleinen Senke plötzlich zur Seite, so als wolle er geradewegs in einen mächtigen Felsen hineinspazieren. Und genau das tat er. Vom Aufprall benommen krabbelte er orientierungslos ein paar Meter weiter, bis er einen verborgenen Eingang fand, der gerade groß genug war, dass sich ein kleines Lebewesen (oder ein Mädchen) hindurchquetschen konnte. »Ohne eine leichte Gehirnerschütterung komme ich nie davon«, gab Herr Dummnuss zu.
    Drinnen war es trocken und behaglich. Die Inneneinrichtung erinnerte einerseits an einen Oxford-Dozenten, andererseits an einen biblischen Eremiten. Abgesehen von Dutzenden von Bücherschränken und einem kleinen dampfbetriebenen DVD-Player gab es nur wenig Luxus in der Höhle. Auf dem Boden lag ein Teppich, und darauf standen zwei kleine Stühle.
    »Einer für mich«, sagte Herr Dummnuss, »und einer für mein Opfer. Äh, meine Freundin! Freundin meinte ich.«
    »Danke«, sagte Loo und nahm Platz. Jetzt, wo sie sich wieder aufgewärmt hatte, stieg ihr der dumpfe, suppige Geruch der Höhle in die Nase, der Mief von jemandem, der zur Hälfte behaart ist, jedoch nie badet. Plötzlich merkte sie, wie hungrig sie war, und fragte sich, ob es unhöflich wäre, ihren Gastgeber zu fragen, ob er etwas von seinem Huf abschaben und ein bisschen Gelatine aufschlagen könne.
    Während Herr Dummnuss Tee machte, eröffneten sich Loo immer wieder unschöne Blicke auf sein nacktes Hinterteil. Peinlich berührt drehte sie sich um und schaute sich die Bücher in seinen Regalen an. Sie zog eins mit dem Titel »Wenn Süßigkeiten nicht mehr weiterhelfen: Tipps für den modernen Mitschnacker« heraus, aber es waren keine Bilder darin. Dann versuchte sie es mit »Das Einmaleins der Kindesentführung«, aber das war noch langweiliger. Sie stellte das Buch wieder zurück und schaute sich um. An der Wand hing
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