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1040 - Madonna auf dem Höllenthron

1040 - Madonna auf dem Höllenthron

Titel: 1040 - Madonna auf dem Höllenthron
Autoren: Jason Dark
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Julia schüttelte den Kopf. Sie war einen Schritt von der Kante des Tisches zurückgetreten und drehte sich jetzt mit heftig klopfendem Herzen um, weil sie einfach wissen wollte, ob jemand heimlich ihr Atelier betreten hatte, um sie zu erschrecken.
    Nein, da war nichts. Die weißen Wände, die dunkle Tür und des Poster daneben, das eine Frau zeigte, die dem Betrachter die Zunge herausstreckte.
    Die junge Frau strich über ihr Gesicht. Sie nahm den Geruch ihrer Hände wahr, an denen noch Spuren des Lösungsmittels klebten, aber sie roch auch den eigenen Schweiß, und das war bei ihr selten. Julia kam mit ihrem Zustand nicht zurecht. Sie wußte wirklich nicht, wovor sie sich hätte fürchten sollen. Die Umgebung blieb normal, einzig und allein das Bild, an dem sie arbeitete, war etwas Besonderes, sowohl vom Motiv her als auch vom Titel.
    Es hieß: Madonna auf dem Höllenthron.
    Ein verrücktes Motiv. Da paßte eigentlich nichts zusammen. Da hatte der Maler versucht, das Gute und das Böse zu kombinieren, was ihm allerdings nach Julias Geschmack nicht gelungen war. Für sie bildete das Gemälde keine Einheit, denn das zweite Motiv war für sie einfach zuviel.
    Sie wischte ihre schweißfeuchten Hände am Stoff des grauen Kittels ab.
    Darunter trug sie ein T-Shirt und alte Jeans. Die ehemals weißen Turnschuhe zeigten Farbflecken, doch darum kümmerte sich Julia nicht.
    Ihr Beruf war nicht eben der sauberste, aber sie arbeitete als Restauratorin, weil es ihr einfach Spaß machte. Julia liebte die Vergangenheit. Sie wollte mehr darüber wissen. Sie wollte herausfinden, was Menschen gedacht hatten. Für sie waren die Hinterlassenschaften der Künstler mehr als nur Bilder. Jeder Maler mußte sich bei seiner künstlerischen Arbeit etwas gedacht haben. Seine Gedanken herauszufinden, war für Julia das größte überhaupt. Bei manchen Bildern klappte es, bei anderen nicht.
    Wie bei dem Gemälde, das vor ihr lag. Dieses Motiv hatte sie durcheinandergebracht, denn es war für sie keine Einheit. Dabei war es nicht einmal besonders düster, doch die Wirkung und der Titel des Kunstwerks irritierten sie.
    An der linken Wandseite hing ein Spiegel. Mehr hoch als breit. Julia konnte sich darin betrachten. Sie stellte fest, daß ihr Gesicht blaß geworden war. Das dichte braune Haar trug sie kurz. Der Schnitt betonte die hohe Stirn und auch ihre großen, haselnußbraunen Augen. Ihre Haut war weich. An Falten war nicht zu denken, und die vollen Lippen Hellen den Mund aussehen wie ein Herz.
    Sie wollte sich selbst im Spiegel zulächeln und mußte feststellen, daß sie es nicht schaffte. Es blieb bei einem zucken der Lippen oder einem leicht verzerrten Grinsen.
    Alldies führte sie auf ihren Zustand zurück. Doch die Frage, wie sie überhaupt in ihn hineingeraten war, konnte sie noch immer nicht beantworten Es mußte einfach mit dem Bild zusammenhängen!
    Julia atmete tief aus und drehte sich vom Spiegel weg. Mit zögerlichen Schritten ging sie wieder auf ihren Arbeitsplatz zu und blieb dort stehen, wo sie vor kurzem auch gestanden hatte.
    Das Licht floß von zwei Seiten über die auf dem Tisch festgespannte Leinwand. Es verteilte sich so, daß es nicht blendete. Julia konnte jede Einzelheit erkennen, selbst die vier Ecken des Gemäldes wurden gut ausgeleuchtet.
    Der Hintergrund war in einem braunen, aber nicht sanften Ton gehalten.
    Julia wußte nicht, was er darstellen sollte. Möglicherweise eine aus Steinen gemauerte Wand. Einzelheiten traten nicht hervor. Es konnte ebensogut ein Vorhang sein.
    Sie hatte den Hintergrund bei ihrer Arbeit bisher ausgelassen und sich nur um die Personen gekümmert, auf die der Blick des Betrachters direkt fiel.
    Da stand der Thron.
    Und er war besetzt.
    Eine Frau hockte darauf, die der Maler als Madonna bezeichnet hatte.
    Sie saß sehr weich, denn ein Tiger- oder Leopardenfell bedeckte die Sitzfläche und breitete sich dabei nach vorn hin so weit aus, daß es auch über die Stufen hinwegfloß, die zum Thron hochführten.
    Die Frau, die ihn in Besitz genommen hatte, war keine Schönheit im eigentlichen Sinne. Sie erinnerte mehr an eine Herrin, auch wenn ihre Haltung weniger königlich und eher locker war, wie jemand, der es sich bequem gemacht hatte.
    Das linke Bein hatte sie angewinkelt und den nackten Fuß zur Seite gedreht. Das rechte hielt sie ausgestreckt. Mit der Hacke berührte der Fuß eine Stufe, was der Betrachter des Bildes nicht sehen konnte, denn ein langer, von der Hüfte herabreichender Rock
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