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Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Lucie Flebbe
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jeder Stufe schien der modrige Geruch stärker zu werden. Erde und Rost glaubte ich herauszuschmecken. Und den stockigen Geruch nasser Wäsche, die man seit guten zwei Wochen in der Waschmaschine vergessen hatte. Gammel.
    War es wirklich nur die Feuchtigkeit, die ich wahrnahm? Oder noch etwas anderes? Der metallische Geruch ließ mich schaudern.
    Am Ende der Treppe stand ich wieder in einem Gang mit zwei Holztüren. Ich öffnete die erste. Die rostigen Angeln kreischten. In der Finsternis erfühlte ich den Lichtschalter. Ich knipste eine weitere Birne an und – fuhr erschrocken zurück. Mein Herz machte einen Satz – vor mir stand ein Mann!
    Ein großer, bärtiger Kerl mit buschigen Brauen und Haarfransen undefinierbarer Farbe. Seinem breiten Grinsen fehlte ein Schneidezahn. In der Lederweste sah er aus wie Grizzly Adams, der fröhliche Einsiedler aus den Schnulzenwesternfilmen der frühen Siebziger, nach einem ziemlich fiesen Winter.
    Im Arm hielt Grizzly Adams eine magere, blasse Frau. Ich erkannte Bine Kopelski auf den ersten Blick. Die Ähnlichkeit mit dem Foto, das Katrin Hesskamp uns gegeben hatte, war offensichtlich. Das graue Haar der Frau hing von ihrem Mittelscheitel aus auf die Schultern hinab. Eine Frisur, die dazu diente, das Gesicht zu verbergen. Darunter bleckte die Frau eine Reihe großer Schneidezähne. Sah aus, als grinste mich ein Pferd an. Um den dünnen Hals trug sie eine altmodische Kette aus ungewöhnlich dunkel schimmernden Perlen.
    Beide Gesichter waren leicht verschwommen und glänzten unnatürlich. Das lag an der Folie, auf die man die vergrößerten Fotos gedruckt hatte, um sie dann auf die Pappfiguren zu kleben. Bines Bild war nicht das Vorteilhafteste. Vermutlich das Produkt einer lustig gemeinten Aktion netter Freunde. In der Hand hielt das Papp-Paar ein Straßenschild mit rotem Rand und einer dicken schwarzen Fünfzig in der Mitte. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Ich tippte das Schild mit dem Finger an. Metall. Das Ding war echt. Dummerweise hinterließ mein Zeigefinger einen Abdruck in der dicken Staubschicht.
    Mist.
    Dank Katrin Hesskamps Spülhandschuh war es zwar kein eindeutig identifizierbarer Fingerabdruck, aber trotzdem schon mein zweiter Fehler nach dem zu Boden gestürzten Jackenberg. Als Einbrecherin war ich eine Fehlbesetzung. Daran musste ich arbeiten. Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, das ganze Schild abzuwischen. Allerdings erregte ein blitzsauberes Straßenschild in dem dreckigen Keller womöglich weit mehr Aufmerksamkeit als nur ein Fingerabdruck.
    Also ließ ich es bleiben.
    Mein Blick schweifte durch den Gerümpelkeller. Stapelweise zerfledderte Kartons, aus denen Schallplatten und Videokassetten ragten, kaputte Gartenmöbel und geblümte Sitzauflagen. Videorekorder, Radios, Fernseher, ausrangierte Computer, Kabel und eine Mikrowelle – Technikschrott.
    Keine Leiche.
    Nichts wie raus hier. Schließlich gab es noch einen Kellerraum. Die zweite Tür öffnete sich mit einem Knarzen. Ein Schwall modrig-metallischen Gestanks schwappte mir entgegen.
    Zweifellos befand sich die Quelle des Geruchs in diesem Raum! Mein Herzschlag wummerte wie die Bassbeats durch die Disco, als ich nach dem Lichtschalter tastete. Ich versuchte, mein angespanntes Nervenkostüm zu ignorieren. Ich hätte ja auch im Erdgeschoss warten können.
    Als das Licht aufflammte, stand ich vor einem Wäscheberg. Hüfthoch erhob sich die Kleidung vor Waschmaschine und Trockner. Auf einer aufklappbaren Wäschespinne baumelten mehrere Handtücher und in der Ecke brummte die Gasheizung neben einer Kühltruhe.
    Die Wäsche stank.
    Ich schluckte trocken. Die obersten Handtücher waren dunkelrot-schwarz verkrustet. Blutdurchtränkt: Die Handtücher, mit denen die Küche gereinigt worden war.
    Hinter mir klackte es. Nervös fuhr ich herum.
    Doch es war nur die Gefriertruhe, die summend zu kühlen begann. Eine bemerkenswert geräumige Kühltruhe. Von den Ausmaßen einer Badewanne. Mindestens. Ein Mensch konnte sich bequem hineinlümmeln, um sich Abkühlung zu verschaffen. Oder hineingelegt werden. Um unfreiwillig abgekühlt zu werden.
    Na schön. Ich hatte mich unbedingt im Keller umsehen wollen.
    Entschlossen trat ich an das Kühlgerät, stemmte mit trommelndem Herzen den schweren Deckel in die Höhe und sah hinein. Genauso schnell sprang ich von dem Ding zurück. Rumsend fiel der schwere Deckel wieder zu.
    Im gleichen Augenblick meinte ich, die Haustür zu hören. Ich biss mir auf die Lippen,
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