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Das 5-Minuten-Grauen

Das 5-Minuten-Grauen

Titel: Das 5-Minuten-Grauen
Autoren: Jason Dark
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beschäftigte sich mit sich selbst, jammerte und murmelte Sprüche, die wohl so etwas wie beruhigende Gebete sein sollten. Mich kümmerte es nicht. Ich streckte meine Beine aus und wollte mir etwas zu trinken holen, als ich in der Scheibe vor mir eine Bewegung sah. Dort malten sich die Umrisse einer Person ab. Zuerst dachte ich an eine Täuschung, bis ich den Kopf drehte und die Person in natura anschauen konnte.
    Es war Rita Wilson!
    Neben der Bank, auf der ich hockte, blieb sie stehen, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. »Sie?« ächzte ich. »Darf ich mich setzen?«
    Ich schaute sie an. Sie trug wetterfeste Kleidung und hatte ihr Gepäck in einem schmalen Rucksack verstaut.
    »Bitte, Rita, das Schiff gehört mir ja nicht.«
    Sie nahm den Rucksack ab und drückte sich neben mich. Ihre Haarflut wurde diesmal von einem gelben Stirnband gehalten. Sie strich es trotzdem nach hinten, möglicherweise eine Geste der Verlegenheit.
    »Enttäuscht, Mr. Sinclair?«
    »Sagen Sie John zu mir.«
    »Gut, an den gleich die gleiche Frage.«
    Ich lachte leise. »Nein, im Prinzip nicht. Eigentlich hätte ich es mir denken können. So wie Sie reagiert haben, das war für mich absolut unüblich.«
    »Was ist denn üblich bei Ihnen?«
    »Daß Sie abgewartet hätten.«
    Wieder schob Rita die Unterlippe nach vorn. »Toll, wirklich. Sie denken also auch so wie manche Machos, daß wir Frauen nur unter der Knute stehen und ansonsten…«
    »Nein, bitte. So nicht, wirklich nicht. Ich hatte Sie nur normal eingeschätzt, denn was ich vorhabe, das ist kein Kinderspiel, Rita. Glauben Sie mir das, bitte.«
    »Das weiß ich.« Ich bekam einen Blick aus großen Augen geschenkt. Sie sahen aus wie die grünlich schimmernden Oberflächen kleiner Teiche. »Aber ich muß Ihnen sagen, John, daß ich zu denjenigen Personen gehöre, die es nicht einfach hinnehmen, wenn jemand ums Leben kommt, der einem sehr nahe gestanden hat. So war es nun mal mit Dora. Ich will nicht gerade behaupten, daß wir ein Mutter-Tochter-Verhältnis gehabt hätten, aber so ähnlich war es doch.«
    »Schön, dann wollen Sie das Haus der alten Dame also zusammen mit mir besuchen?«
    »Ja, wir brauchen uns ja nicht zu kennen. Wir könnten dort wohnen und werden weitersehen.«
    »Bestimmt.«
    Rita lächelte. »Jetzt habe ich tatsächlich Hunger bekommen. Sie auch, John?«
    »Bei diesem Seegang können Sie essen?«
    »Wer auf dem Hochseil balanciert, dem macht so etwas nichts aus.«
    »Wahrscheinlich.«
    Rita Wilson stand auf. »Soll ich Ihnen etwas mitbringen, John?«
    Ich nahm es mit Humor. »Nur nichts Fettiges.«
    »Einen Sandwich?«
    »Ja, mit Käse und Grünfutter.«
    »Also Salat?«
    »Richtig.«
    Sie ging. Ich schaute ihr nach. Eine klasse Figur konnte sie schon aufweisen. Wer als Artistin sein Brot verdiente, der mußte darauf achten, nicht zu dick zu werden.
    Ich war nicht besonders erfreut darüber, daß sie mit auf die Fähre gekommen war. Für mich war Rita keine Hilfe, mehr ein Hindernis. Weshalb hatte sie diese Reise angetreten? War es nur das Verhältnis zu Dora, ihrer Freundin, gewesen? Das konnte, brauchte aber nicht zu sein. Möglicherweise steckten andere Motive hinter der Reise.
    Sie kam zurück, hatte auch noch zwei Flaschen Wasser auf dem Tablett stehen und stellte alles auf den Tisch, der an den Seiten ›Banden‹ aufwies, damit nichts herunterrutschen konnte.
    Sie aß Roastbeef, dazu einen Teller Salat mit Thunfisch und zwei halben Eiern garniert.
    »War es richtig?« fragte sie.
    »Ja.« Ich schenkte Wasser in zwei Gläser. »Was bekommen Sie von mir?«
    Rita lächelte mich an. »Nichts, ich habe Sie eingeladen.«
    »Dann bedanke ich mich.«
    Was man ihr als Sandwich verkauft hatte, würde ich mit dem Begriff Gummibrötchen bezeichnen. Auch der Käse war an den überstehenden Rändern schon hart geworden. Seine Kruste schimmerte in einem tiefen Gelb. Die brach ich ab und würgte das bescheidene Mahl herunter. Meiner Nachbarin schmeckte es. »Wissen Sie«, sagte sie kauend, »man muß immer das Beste aus seiner Lage machen.«
    »Im Prinzip haben Sie recht. Wer weiß, wann wir wieder etwas in den Magen bekommen.«
    Da lachte sie auf. »So meine ich das nicht. Wenn Sie zum fahrenden Volk gehören, nehmen Sie einfach eine andere Mentalität an, John. Da kommn Sie mit jeder Situation zurecht.«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Glauben Sie mir.«
    »Und wie geht es weiter?« fragte ich.
    Rita schaufelte die Reste des Thunfischs zusammen und stach die Gabelzinken
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