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Blutige Nacht: Roman (German Edition)

Blutige Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Blutige Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Trevor O. Munson
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Prolog
    D en schwarzen Arztkoffer fest an mich gedrückt, halte ich unter einer nackten Glühbirne inne, neben einer Tür mit der Aufschrift 3B, deren Farbe abblättert. Es ist spät für einen Hausbesuch, aber ich bin schließlich auch kein Arzt.
    Klopf-klopf. Ich warte.
    Die Tür von 3B öffnet sich, und ein dürrer, weißhäutiger Kerl blinzelt mich an. Mit dem übergroßen Adamsapfel, dem dünnen blonden Haar und der Brille mit Drahtgestell ähnelt er einem Buchhalter. Er lächelt mich irgendwie freundlich an. Es ist ein angenehmes Lächeln, ein Lächeln, dem man vertrauen kann. Doch wenn ich eines über die Jahre gelernt habe, dann, dass das Aussehen täuschen kann. Gerade ich sollte das wissen.
    »Michael Ensinger?«, frage ich und beobachte, wie ein misstrauischer Ausdruck über sein nichtssagendes Gesicht wandert.
    »Wer will das wissen?«
    »Mein kleiner Freund hier«, sage ich und lasse ihn einen Blick auf meinen 38er-Revolver mit Perlmuttgriff werfen, den ich aus der Arzttasche hervorgeholt habe.
    »Ohhh, hey, hey«, sagt Michael. Ich genieße es, als der verdrießliche Ausdruck auf seinem Gesicht verschwindet und er stattdessen seine sanften Hände, mit denen er im ganzen Leben noch keine harte Arbeit verrichtet hat, vor sich ausstreckt wie ein Bankangestellter in einem alten Western. »Was soll das? Was geht hier ab?«
    »Wir müssen reden.«
    »’kay, lass uns reden.«
    »Nicht hier. Drinnen. Kann ich reinkommen?«
    Er ist verängstigt und nickt hektisch zustimmend.
    »Nein. Du musst es sagen. Kann ich reinkommen?«
    Den Blick nur auf meine Waffe gerichtet, antwortet er: »Ja, ja. Komm rein.«
    Grünes Licht. Mit vorgehaltener Waffe dirigiere ich ihn zurück ins Innere. Ich schließe die Tür hinter mir, lege den Riegel vor und sehe mich um. Die Wohnung selbst ist heruntergekommen, aber ordentlich gepflegt, alles an seinem Platz.
    In der Glotze hinter ihm wird eine gefesselte und geknebelte, nackte Blondine von einem Kerl mit schwarzer Kapuze an den Haaren quer durch einen Raum geschleift. Es sieht ganz danach aus, als hätte ich Mikey mitten bei einer kleinen sadistischen Ich-hol-mir-einen-runter-Session gestört.
    »Nette Show. Läuft die auf einem öffentlichen Sender?«
    »Leck mich doch. Was willst du von mir?«
    Das Ausbleiben meiner Antwort erhöht seine Nervosität, und er schluckt heftig. Der riesige Adamsapfel hüpft in seinem Ichabod-Crane-Hals auf und ab. Am besten nicht zu lange daraufstarren.
    »A-alles in Ordnung?« Er muss in meinen dunklen, kristallkugelgroßen Augen etwas gesehen haben, das ihm nicht gefällt. Etwas, das ihm keine lange, gesunde Zukunft verheißt.
    »Bei mir ist alles bestens. Wo ist das Badezimmer?«
    Er macht eine undeutliche Geste. »Den … ähm … den Gang runter.«
    »Dann gehen wir dahin.«
    »Was? Warum? Also ich dachte, du wolltest nur mit mir reden.«
    »Das will ich auch. Im Badezimmer.«
    Es sieht so aus, als ob Ensinger etwas dagegen einwenden wollte, also spanne ich den Hahn des Revolvers. Das bringt ihn brav zum Schweigen, und ich folge ihm durch den kurzen Gang bis zum hässlich gefliesten Badezimmer. Ich ziehe die Tür hinter uns zu und inspiziere die Räumlichkeiten. Die Badewanne ist verdreckt. Die wird wohl geputzt werden müssen.
    Die Waffe auf ihn gerichtet, wühle ich unter dem Waschbecken herum und tauche mit einer Bürste und Scheuermittel auf. Ich halte ihm beides hin.
    »Putz die Wanne. Die sieht ja ekelhaft aus.«
    Erst sieht er mich an, als hätte ich einen Witz gemacht, dann grinst er wie ein Klugscheißer. »Wie jetzt, du brichst bei anderen Leuten ein und zwingst sie dazu, zu putzen?«
    Mit einem Schlag wische ich ihm das Grinsen aus dem Gesicht. Seine Brille fällt herunter. Er bricht neben der Wanne zusammen. Mehr bekommt er von mir nicht als Antwort. »Mach schon.«
    Zusammengekauert sucht er nach seiner Brille und setzt sie wieder auf. Dann lässt er mit zitternden Händen etwas Heißwasser einlaufen, besprenkelt die Wanne mit Scheuermittel und schrubbt sie wie ein braver Junge.
    Hinter ihm ziehe ich vorsichtig meine maßgeschneiderte Anzugjacke aus und kremple die Hemdsärmel nach oben. Aus dem Augenwinkel bemerkt Ensinger meine immer spärlicher werdende Bekleidung, woraufhin er innehält und mich ängstlich ansieht. Ich zeige auf die Wanne. »Konzentrier dich.« Er macht sich erneut an die Arbeit. Das rhythmische Kratzen der Bürste auf der Porzellanoberfläche hört sich an wie ein Zug, der langsam an Fahrt gewinnt, um eine
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