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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Fasanenstraße, am Astor vorbei, wo sie dreimal hintereinander «Jenseits von Afrika» gesehen und beschlossen hatte, mindestens eine zweite Meryl Streep zu werden.
    Ihr Hochgefühl hielt an, und als sie an einer der vielen Boutiquen vorüberkam, gerade neu eröffnet, beschloß sie spontan, sich wieder mal neue Klamotten zu kaufen. Ein Tag wie dieser war gebührend zu feiern. Sekt gab es hier für neue Kunden. Wow, das war es!
    Ein Rock aus Rindsoftnappa, tiefschwarz, war schon lange ihr Traum. Wenn sie damit durch die Straßen ging, war sie die Queen. Die Weiber wurden grün vor Neid, und den Kerlen sprang der Pint nach oben, daß es ihnen die Hosenknöpfe absprengte.
    Haben mußte sie den. Sie nahm ihn vom Ständer und wollte in den Laden hinein, doch das scheiterte an den vier, fünf Stufen, die nach oben führten. Egal, Yemayá schlief noch immer, und ein paar Sekunden hier draußen schadeten nichts, war ja kein Smog.
    Jessicas Euphorie multiplizierte sich noch, als die Verkäuferin rief: «Ich kenn Sie doch von der Bühne her…! ‹Kleines Theater› am Südwestkorso, Berlin-Revue…»
    Sie war die einzige Kundin im Laden, und es ging ganz schnell, den Rock mal übergestreift und gesehen, ob er paßte. Sie brauchte bloß hinter eine hölzerne Trennwand zu treten, nicht mal die Kabine aufzusuchen.
    «Paßt, ja…» Während sie sich mit den Händen über Bauch und Schenkel fuhr, ein bißchen Nina Hagen, warf sie einen Blick durch die Modepuppen und Dekorationen nach draußen. Alles okay. Yemayás Panoramawagen stand friedlich im Schatten.
    «Toll sehen Sie aus! Schon für Ihre neue Rolle, was…?»
    «Nein, nur für…» Sie brach ab, hätte fast verraten, wen sie mit diesem Rock anmachen wollte.
    «Ach, ich verstehe…!» Die Verkäuferin, Mitte Zwanzig und furchtbar fasziniert von allem, was mit TV und Film zusammenhing, dachte sich ihr Teil. «Einen Herrn, den wir alle kennen…?»
    «Na, schalten Sie mal regelmäßig ein!» Jessica lachte und begann im chaotischen Durcheinander ihrer Handtasche nach eingesteckten Geldscheinen zu suchen, fand endlich auch welche und streckte sie hin.
    Die Verkäuferin geriet nun leicht in Panik, denn in dem Moment, als sie das Wechselgeld aus der Kasse nehmen und Jessica vorzählen wollte, schrillte hinter ihr das Telefon. «Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie nicht mehr zur Tür…!»
    «Macht doch nichts, ich muß mich sowieso beeilen…»
    Jessica warf die Münzen, die ihr schnell in die Hand gedrückt worden waren, achtlos in die Tasche, nahm die bunte Plastiktüte mit dem Rock, tauschte schnell noch das rituelle «Tschau!» mit der anderen und verließ dann den Laden.
    Die Stufen sprang und schwebte sie hinunter, schwang dabei die Tüte auf und ab, als wär’s ein Schmetterlingsflügel.
    Unten angekommen, flog der Rock auf die Ablage unterm Kinderwagen, rauf auf die Programmzeitschriften.
    Was für ein Tag! Szenen, die sie noch vor Augen haben würde, wenn sie fünfzig war.
    Dann erst sah sie in den Kinderwagen.
    Er war leer, Yemayá war verschwunden.

 
    3.
     
     
     
    Seit sie am Übergang Waltersdorfer Chaussee West-Berlin verlassen hatten, war ihnen der graue Lada gefolgt. So schien es ihnen zumindest. Waren das neurotische Ängste, gewachsen in den Jahrzehnten, in denen man die DDR als Horrorstaat gezeichnet hatte, oder ganz einfach Realitäten? Verdächtig genug waren sie ja; vom Outfit her Leute, denen jederzeit das Ausrollen gewisser Transparente zuzutrauen war: «Schwerter zu Pflugscharen» oder «Frieden schaffen ohne Waffen». Hatten sie zwar keineswegs in ihren Rucksäcken, nur was zu trinken und etliche Fressalien, aber sie hätten können, so wie sie aussahen. Mit ihren Bärten, ihren Jeans, ihren teuren Wanderschuhen Marke «Harvard» (adidas), ihren nicht eben abgehärmten Gesichtern, auf die das ständige Lesen von SPIEGEL und ZEIT, zitty, tip und taz eine feine Bildungspatina gezaubert hatte. Keine Aussteiger, Tunix-Typen oder Krawallos, RAF- und Rote-Zellen-Leute, Autonome erst recht nicht, aber immerhin mit demselben Touch wie die Blockierer von Mutlangen, Cattenom und so, also auch für DDR-Gemüter recht brisant.
    In zwei Wagen waren sie heut morgen aufgebrochen. In Jürgens blauem BMW saßen Horst, Corzelius, Dieter und Mannhardt; Internist, Sozialwissenschaftler, Journalist, Kiefernorthopäde und Kriminalkommissar. In Stefanies gelben Variant (VW-Passat) hatten sich geklemmt Siegfried und Inge, zwei Meteorologen, sowie Peter, der ein wenig
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