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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition)
Autoren: Rachel Ward
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PROLOG
    »Schluss, aus. Wir müssen aufhören. Wir haben getan, was wir konnten. Das bringt nichts mehr. Es ist siebzehn nach vier.«
    Ich öffne die Augen. Ein Regentropfen fällt in mein linkes Auge, mitten hinein. Schnell schließe ich beide Lider. Vorsichtig blinzle ich jetzt. Der Regen fällt weiter herunter. Wasserbomben klatschen aus einem grauen Himmel. Irgendetwas ist in meinem Mund. Schlamm. Kies.
    Ich drehe den Kopf zur Seite und spucke aus.
    Einen Meter neben mir sehe ich ein Gesicht. Die Haare kleben in glänzenden Strähnen an seiner Stirn. Mund, schmale Lippen, leicht geöffnet, ein Wasserrinnsal läuft heraus. Bleiche Haut, von Schlamm überzogen. Augen geschlossen, verkümmerte Wimpern bilden zwei stachlige Linien.
    Es ist mein Gesicht.
    Irgendetwas surrt von seinen Füßen die Beine hinauf, an der Taille vorbei hoch zu den Schultern. Die Hand, die den Reißverschluss zieht, hält einen Augenblick inne, dann macht sie weiter, schließt den Sack bis ganz oben. Schlafsack. Sie haben ihn in einen Schlafsack gelegt, weil er schläft. Doch es gibt keine Öffnung. Sie haben ihn eingeschlossen. Wie soll er da atmen?
    Als Nächstes bin ich dran. Ich weiß es. Aber ich schlafe nicht. Ich bin wach.
    »Nicht zuziehen.« Ich höre die Worte in meinem Kopf, doch meine Lippen bewegen sich nicht. »Nicht zuziehen.« Meine Stimme, die versucht nach außen zu dringen – in der Kehle abgewürgt.
    Jemand packt meine Beine. Ein anderer packt meine Arme. Ich bin dran. Sie werden mich in so einen Schlafsack legen. Sie werden ihn zuziehen. Ich versuche mich zu wehren, aber meine Arme und Beine sind einfach zu schwer. Ich kann nichts dagegen tun. Ich kann mich nicht rühren, nicht sprechen, nicht klar denken.
    Plötzlich liege ich auf einer Art Bahre und werde in einen Lieferwagen gehoben. Die Türen schlagen zu. Wir lassen ihn zurück.
    Doch nein, die Tür wird noch einmal aufgerissen. Das wird er jetzt sein. Schritte, Geächze, als sie ihn hineinheben. Ich schaue hinüber. Wenn der Schlafsack immer noch bis oben zu ist, werde ich alles versuchen meine Stimme wiederzufinden, und sie bitten, den Schlafsack ein Stück aufzuziehen, damit ich sein Gesicht sehen kann und er Luft kriegt.
    Aber es ist nicht er. Auf einmal ist ein Mädchen hier im Lieferwagen. Sie sieht mich an. Ihre Schminke ist von den Augen herab über das ganze Gesicht verschmiert, als ob sie zerfließt. Doch die Lippen sind blau, ihre Arme von Gänsehaut übersät und sie zittert. Auch sie starrt, starrt mich an, dann blinzelt sie – einmal, zweimal – und fängt an zu schreien.

EINS
    Die Frau, die sagt, sie sei meine Mum, ruft uns ein Taxi für die Heimfahrt. Sie sitzt auf der einen Seite, ich auf der andern, als ob wir an den Fenstern kleben. Vierzig Zentimeter Kunststoffsitz zwischen uns. Die Sicherheitsgurte angelegt.
    Der Geruch hier drinnen kratzt in der Kehle. Es riecht nach Plastik, Politur und Erbrochenem, alles zusammen. Vorn am Rückspiegel hängt ein kleiner blauer Baum. Auf dem Baum steht Neuwagen-Duft . Wenn so ein Neuwagen riecht, kannst du ihn behalten.
    Unser Zuhause. Ich sehe es vor mir und weiß, dass ich da nicht hinwill. Ich will zurück ins Krankenhaus. Die Schwester dort war nett zu mir, nicht wie die Frau da drüben, auf der andern Seite der Rückbank, die in dem abgewetzten Jogginganzug, der ihr zu groß ist. Die Frau, die aussieht, als ob sie so viel geweint hat, dass sie nicht mehr kann. Auch sie wirkt nicht gerade begeistert, dass ich bei ihr bin. Sie kann mich kaum ansehen und hat noch kein Wort gesagt, ihre Lippen sind fest zusammengepresst, zu einer grimmigen schmalen Linie verschlossen.
    Ich gehe zurück. Soll ich? Soll ich es tun? Am Griff ziehen und die Tür aufstoßen? Rausspringen und losrennen? Zu spät. Das Taxi fährt um eine Kurve, gibt Gas und das Krankenhaus ist nicht mehr zu sehen.
    Ich bin gefangen.
    Ich drücke meine Stirn gegen die Scheibe. Sie ist kalt auf der Haut. Das gefällt mir, es beruhigt. Ich schiebe das Gesicht vor, drücke es so gut es geht gegen das glatte, harte Glas, quetsche die Nase zur Seite, damit auch Mund und Kinn an der Scheibe sind. Ich drücke noch fester, meine Lippen werden breit wie zwei Schnecken. Die Frau sieht mich mit rot unterlaufenen Augen an.
    »Was machst du da?«, sagt sie. »Carl, lass das, verdammt noch mal!«
    Sie fasst über die Lücke zwischen uns und reißt mich am Arm. Ich sträube mich. Sie lässt den Arm los und schlägt mir mit voller Wucht gegen den Hinterkopf.
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