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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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nach. «Und wenn nun dieser, dieser… Gott, ich kann mir keine Namen merken! Du… Du…?»
    «Dubinski!»
    «Ja, wenn nun dieser Dubinski ‘n Auftrag dazu hatte, dich zu diesem Sarg zu führen, wo die beiden dringelegen haben…?»
    «Ach, Unsinn!»
    «Warum warst ‘n eigentlich da im Krematorium?»
    Corzelius stieß einen Kienappel vor sich her. «Weil ich irgendwie das Gefühl habe, daß da bei der Ausschreibung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Siehe Antes und den anderen Baustadtrat, den in Wilmersdorf, siehe Quell, den Bezirksbürgermeister. Weiß aber keiner was davon, daß ich da ‘n ganz bestimmten Verdacht habe. Also…! Ich war offiziell nur da, um für mein altes Brammer Tageblatt zu recherchieren, mal was über ‘n großes Krematorium zu machen, weil in Bramme auch ‘n Neubau ansteht.»
    Und Mannhardt unterstrich noch einmal, daß von seinen Kontakten zu Grobi/Grobelny keiner was gewußt haben konnte. «Der hatte mich doch aus ‘ner Telefonzelle aus angerufen. Wie soll ‘n da einer mitgehört haben?»
    «Aber erschossen worden ist er jedenfalls!»
    «Sind wir die Mordkommission!? Und um uns an unseren Pilgerfahrten durch die Mark zu hindern, da müßte schon noch ganz was anderes passieren…!»
    Jürgen war mit Corzelius ein paar Schritte hinter den anderen zurückgeblieben, wollte gern einiges mehr über den anderen wissen, war der doch mit Mannhardt zusammen erst Anfang des Jahres zu ihrer Wandergruppe gestoßen, von Horst ihrer «Brigade Schweißfuß» zugeführt worden.
    «Wir sind nämlich alle in derselben Splitterpartei…»
    «In welcher denn?»
    «In der SPD…»
    «Ah, ja… Und in Bramme bist du Chefredakteur beim Tageblatt gewesen und jetzt hier beim SFB…?»
    «Hier…?»
    «In Berlin…»
    «… West! Immer präzise. Beim SFB, ja. Irgendwie brauchen die ja noch immer einen, der ihnen die Pausen zwischen den Musiktiteln füllt. Erkläre mir das Sosein der Welt in zwei-dreißig. Das ist ‘ne Karriere, was: Vom Provinzblatt zum… Aber lassen wir das. Wer auf der Flucht ist, hat nicht viel zu fragen.»
    «Aber deine Tochter hast du mitgenommen?»
    «Siw? Nein, die ist in Bramme geblieben.»
    «Siw?» Jürgen blieb unwillkürlich stehen. «Ich denke, Yemayá heißt die…?»
    «Yemayá ist hier in Berlin. Das ist meine zweite Tochter…»
    «Ach so! Aber verheiratet seid ihr noch nicht?»
    «Mit Jessica? Nein…» Corzelius nahm beim Weitergehen seinen Rucksack ab, öffnete ihn und zog eine kleine Seltersflasche hervor.
    «Das ist die Schauspielerin und ‘ne entfernte Cousine von dir?»
    «Ja, ja…» Corzelius verlor beim Stolpern über eine Wurzel seine Sonnenbrille und ein paar DDR-liche Alumünzen, fluchte und bat die anderen zu warten, lief dann zur Spitze des kleinen Zuges, wo Stefanie ihre tic-tac- Vorräte verteilte.
    Niemand spürte auch nur im allergeringsten, was in dieser Minute im doch gar nicht so fernen West-Berlin geschah, wie schlimm es um Jessica stand, nachdem sie ihren Kinderwagen leer vorgefunden hatte.
    Nach knappen zehn Kilometern hatten die neun Wanderer das östliche Ende des Krüpelsees erreicht, standen Kablow gegenüber, und Horst wie Mannhardt schritten nun, von den anderen nach Kräften verspottet, zu ihrer üblichen kultischen Handlung: Wie an jedem bisher abgehakten märkischen Gewässer knieten sie auch hier am Ufer nieder, streckten ihre rechte Hand hinein und netzten sich mit dem trüb-grünen, «blühenden» Wasser Wangen und Stirn.
    Dann ließ man sich zum Picknick nieder, verputzte die mitgebrachten Buletten, Eier und Stullen, trank Tee, Selters oder Cola.
    «Auf, auf!» Siegfried scheuchte sie schon wieder. «Es kann immer noch gewittern.»
    Doch sosehr er auch drängte, alle nahmen sie sich noch die Zeit, die Graskuhlen, in denen sie gelegen hatten, sorgfältig abzusuchen und sich mehrmals auf die Brust- beziehungsweise Rucksacktaschen zu klopfen, in denen ihre Papiere aufbewahrt waren: der Westberliner («behelfsmäßige») Personalausweis und die uniformgrüne Ausreisekarte («Bitte bei Ausreise an der Grenzübergangsstelle der Deutschen Demokratischen Republik abgeben»), denn die Angst vor deren Verlust war riesig, fast schon pathologisch; als hätte er zwanzig Jahre und mehr Sibirien bedeutet. Nein, aber endlose Verhöre und die Anschuldigung, Beihilfe zur Republikflucht geleistet zu haben, womöglich auch das schöne Erlebnis, vom MfS angeworben zu werden. Und schreckliche Vorstellung, daß ein fluchtversessener DDR-Bürger,
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