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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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scharf auf freiheitliche Arbeitslosigkeit im Westen, ihre Papiere finden und dann mit ihnen…! Die Wahnsinnsangst, plötzlich ohne eigene Identität…
    Darum die neurotischen Bemühungen, sich immer wieder zu vergewissern, daß Ausweis und Ausreisekarte noch vorhanden waren.
    Gott (West) sei Dank, sie waren es noch!
    Los, ab, weiter, avanti, avanti, vorwärts, marsch! Die nächsten zehn und nach der Pause besonders harten Kilometer waren in Angriff zu nehmen.
    Als sie Bindow durchquerten, ein kärglich-graues Kaff («Was die DDR am dringendsten braucht, ist ein halber Ozean voll bunter Farbe», sagte Inge), kam ihnen auf einer Art Moped der Genosse ABV entgegengefahren, der Herr Abschnittsbevollmächtigte, und sie rechneten schon mit einer intensiven Kontrolle, doch er umkurvte sie nur mit schnellem Blick. Äußerlich viel zu desinteressiert, wie Mannhardt fand, und gerade damit ein sicheres Indiz dafür bietend, daß er sie doch aufm Kieker hatte, glaubte das zu wissen, weil doch die Polizisten überall dieselben seien.
    «Die reichen uns hier von Ort zu Ort weiter; erst der Lada, jetzt der ABV.»
    Hielt man sie für CIA- und BND-Agenten? Quatsch. Eher für bestimmte Westberliner Grüne, die an sich nicht «rüber» durften, durch einen Computerfehler aber möglicherweise doch…? fragten sie sich. Oder ging es hier allein um C. C. – Corzelius? Hatte er in letzter Zeit irgend etwas geschrieben oder übern Sender verlautbaren lassen, was den hiesigen Größen nicht schmeckte?
    «Ich weiß nicht…» Corzelius überlegte drei, vier Schritte lang.
    «Vielleicht wegen Wuthenow», sagte Jürgen, SPIEGEL-Leser. «Und deinem Interview mit dem…»
    «Was denn!?» lachte Mannhardt. «Dem Schach von Wuthenow?» Damit anspielend auf eine der tragischsten Figuren seines geliebten Fontane. «Zieht sich erst aufs Land zurück, erschießt sich dann, weil ganz Berlin über ihn und seine außergewöhnlich häßliche Braut zu spotten beginnt: Victoire von Carayon.»
    «Ich kenn nur Viktoria 89, mal Deutscher Fußballmeister gewesen», sagte Horst und begann den alten Vereinssong laut und falsch zu singen. «Wir halten hoch und fest die Stangen, hipp, hipp, hurra, im Pissoir, äh, Viktoria!»
    «Victoire von Carayon», wiederholte Mannhardt.
    «Wer ist denn nun Wuthenow?» fragte Stefanie, die, als nun alles stehenblieb, die Zeit nutzte, sich trotz aller Verbote («Waldbrandstufe zwei») eine Zigarette anzuzünden («Ist ja nur Sand hier…»).
    «Ein hohes Tier», erklärte Corzelius. «Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Wuthenow, Direktor des Instituts für Fragen des Imperialismus (IFI), der kommende Mann, das heißt, wenn der Nachfolger des Honecker-Nachfolgers mal ein bißchen Weltmann sein sollte.»
    «Und was machen die so?» wollte Horst wissen. «Hifi vom IFI?»
    «Ja, in etwa; alles sehr hochwertig. Zum einen Erforschung dessen, was im ‹kapitalistischen Ausland› geschieht, insbesondere in der Bananenrepublik Deutschland, der BRD, dann aber auch gezielte Propaganda Richtung Westen.»
    «Und du hast diesen real existierenden, den roten Wuthenow also interviewt?»
    «Ja, bei uns im Studio. Und da hat er vielleicht für die Falken hier in der DDR, im ZK und im Ministerrat, zu sehr auf deutsch-deutsche Kordialität gemacht, oder andersherum: zu laut über ein Gesamtdeutschland unter rötlichen Vorzeichen nachgedacht. Die KP sei in Italien wie in Frankreich Regierungspartei gewesen, warum denn nicht bei uns…? Das muß die Abgrenzungsfanatiker hier ganz schön genervt haben.»
    Siegfried, wieder mit der Karte in der Hand auf der Suche nach dem Schönstmöglichen Weg, verstand nicht ganz, inwieweit dieser Fakt ihre heutige Wanderung rund um Dolgenbrodt ernsthaft tangieren sollte.
    «Na, Mensch…!» Corzelius tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle unweit ihres derzeitigen Standortes, «…weil der F.-W. Wuthenow hier am Dolgensee ‘ne Datsche hat!»
    «Hättste das nicht eher sagen können?»
    «Warum denn: ist doch lustig!» half ihm Stefanie.
    «Dann mal weiter!» sagte Siegfried. «Da hinten überm Wolziger See grummelt es schon.»
    Das war am Kilometer 13,6, so von Siegfried zu Hause mit dem Kilometerzähler «ausgeradelt», und von hier aus ging es zum Großen Luch hinunter, dann ostwärts weiter zum Wolziger See, wo der Weiße Berg mit seinen 54 m der nächste Fixpunkt war; gute drei Kilometer alles in allem, wenn sie sich nicht wieder verliefen.
    Munteres Geplauder – bei Fontane «Causerie» geheißen, wie
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