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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Rauch und Qualm.
    Die herausgesprengte Tür hatte Vera voll an die andere Wand geschleudert, Mannhardt sah sie noch, bevor ätzende Dreckwolken alles verhüllten, regungslos-gekrümmt am Boden liegen, war selber der immensen Druckwelle glücklich entgangen, hatte hinter einem Vorsprung in der Wand, einem Schornstein wohl, im toten Winkel gestanden, kaum mehr gespürt als bei einer heftigen Bö, hörte nur nichts mehr, die Trommelfelle, ahnte auch sofort, was da geschehen war: Tornow mußte, um nachher besser drohen zu können, in der Küche das Gas aufgedreht haben, und Vera dann mit ihrem Klingeln…
    Kein langes Denken war das, nur ein kurzes Zucken, fiel schon in die Phase, als er über Vera lang hinweggesprungen war und in das Matscho stürzte, hustend, keuchend, stolpernd, tastend, den Aktenkoffer fallen ließ; was nützte denn das Lösegeld, wenn…
    Yemayá!
    Rette das Kind!
    Sonst wird Jessica…
    Soll sie doch, ihre Sache.
    Nein!
    Tu’s!
    Tu’s nicht, sterben wirst du hier!
    Du mußt!
    Fünf Minuten dauert es, bis die Feuerwehr. Viel zu lange.
    Du bist der einzige, der.
    Kalkstaub, die Nase zu, der Mund verklebt.
    Keine Luft mehr.
    Gardinen brannten, Tischdecken, Sofabezüge.
    Ein Windstoß; für Sekunden sah er etwas. Wie im Flugzeug, wenn es durch die Wolkenbänke raste, durch Sonnenschneisen stieß.
    Tatjana blutüberströmt am Boden, zwei Männer im Flur. Auch sie bewegten sich nicht.
    Wo war das Kind?
    Luft! Er konnte kaum noch atmen, preßte Taschentuch und Jackenschöße vor den Mund.
    Allein, so allein. Allein in den Jupiterwirbeln, allein oben in den Venusgiften. Wo blieben nur die anderen?
    Wahnsinnsangst erfüllte ihn.
    Wo bin ich hier!?
    Er wußte nicht mehr, wo er sich befand, sein Hirn war ohne Sauerstoff.
    Im Luftschutzkeller, ja; da war er elf. Volltreffer oben ins Haus. Drei Stunden lang eingeklemmt, verschüttet gewesen.
    War er.
    Bin ich noch immer…?
    So wie damals roch es auch hier. Er vermochte sich nicht mehr zu rühren. Wann kamen sie und retteten ihn?
    Der Organismus wollte überleben, siegte auch über diesen blackout: Raus hier! Du bist nicht mehr im Luftschutzkeller; Matscho, Schlüterstraße.
    Aufflackern der Sinne.
    Yemayá! Wo ist das Kind!?
    Wenn es noch lebt, dann wird es auch schreien!
    Ich höre doch nichts mehr!
    Er riß sich die Hände von Nase und Mund, um sich die Ohren mit einem starken Schlag dagegen von den Pfropfen freizupressen.
    In höchster Not wieder Kind: Lieber Gott, laß mich…!
    Das Flugzeug stürzt ab, du kommst nicht mehr raus!
    Die Challenger-Kapsel oben am Himmel, und du sitzt selber drin in ihr.
    John Maynard, das Omen!
    Sie lassen den Sarg in Blumen hinab…
    In Qualm und Brand…
    Er starb für UNS…
    Sein Fontane.
    Nein! Weiter!
    Wirr wie ein Falter vor der alles versengenden Flamme taumelte, irrte, schoß er umher, wußte nicht mehr, wo Eingang und Ausgang, links und rechts, fast auch oben war und unten, gesteuert längst nur noch von archetypischen Instinkten; Urmensch in der Steppe, die ringsum brannte.
    Da, da schrie doch das Kind!
    Seine Ohren, ein wenig.
    Im Bad.
    In der Badewanne.
    Von Tatjana wohl, als Tornow eingedrungen war, für das sicherste Plätzchen gehalten, und Yemayá hatte dort alles ohne einen Kratzer überstanden.
    Mannhardt riß sie hoch, preßte sie an seinen Körper, fand die Orientierung wieder: da geradeaus mußte es durch Bar und Gästeraum hindurch zur Straße gehen, zehn Meter über aufflammende Teppichböden hinweg.
    Die Dusche! Sie ging, und er sprühte, so schlimm wie draußen waren, Gott sei Dank, Rauch und Qualm hier drinnen nicht, das Kind und sich so naß wie eben möglich.
    Das Fenster…!? Ein Blick. Viel zu klein und überdies vergittert.
    Also: doch durchs Feuer durch!
    … Burn, burn… A ring of fire…
    Und wenn er sich geirrt hatte, statt auf die Straße in irgendeine Nische lief und dort verbrannte, mit Yemayá im Arm?
    Hier bleiben? Nein. In ein, zwei Minuten waren sie beide erstickt.
    Ein Husten, der den Brustkorb aufzureißen schien. Die Kleine an ihm bäumte sich vor Schrecken und Entsetzen, litt selber unter Atemnot, das sah er deutlich, wie ein Kind mit schlimmstem Pseudo-Krupp.
    Er hatte keine andere Wahl.
    …hilf!
    Noch einmal alles, was an Sauerstoff zu haben war, in die ausgedörrten Lungen gerissen, von einem kaputten Pfeifen begleitet, Tbc, dann…
    …los!
    Höllenhitze, freier Fall in die Sonne hinein.
    Ein Rauschen, ein Dröhnen, das Blut: siedend und ein zerplatzender
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