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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Wenn Mann sagt: ‹Nehmen Sie das hier aus Kuba…›, dann ist richtig, dann Tausch perfekt. Wenn nichts in Ihre Aktenkoffer und falsches Geld, dann habt ihr großes Skandal. Wir wissen, daß Wuthenow Vater von Baby ist. Wäre er ein toter Mann, wenn…! Du wissen Bescheid: Wenn ihr uns auffliegen laßt, dann wir euch auch. Du kommen allein, keine Polizei. Ende!»

 
    20.
     
     
     
    Vera preßte die geballten Fäuste gegen die Schläfen, hätte ihren Kopf am liebsten in einen richtigen Schraubstock gesteckt, um alles herauszupressen, was da ihr Hirn zerfraß, doch die Stimmen in ihr wurden immer schriller.
    Deine Nachbarin hat dir gesagt, eine furchtbar blonde Frau hätte das Baby geholt; doch Jessica hat tiefschwarze Haare.
    Ihr Begleiter soll groß wie ein Bär gewesen sein; doch Corzelius ist eher schmal und schmächtig.
    Du, Vera, wenn es Jessica nicht war, dann war es auch nicht Jessicas Kind.
    Dein eigenes Kind ist es gewesen, deine Katharina!
    Kati, Katharinchen!
    Sie schrie auf: «Mein Kind ist weg! Sie haben mir mein Baby gestohlen!»
    Du bist ja so arm dran, Vera! Erst dein Mann weg nach Afrika, jetzt das Kind entführt!
    Sie werden auch alles andere gestohlen haben.
    Vera sprang auf, lief in die Küche und riß den größten ihrer Schränke auf, der vollgestellt, vollgepreßt war mit Hunderten von Dosen, alles Suppen, Leberknödel-, Broccoli-, Erbsen-Creme-, Ochsenschwanz- und Zwiebelsuppen.
    Sie strahlte, alles noch da.
    Aber dein Kind ist verschwunden!
    Mit einem Weinkrampf warf sie sich aufs Bett, zuckte dabei immer wieder hoch wie von elektrischen Schlägen getroffen.
    Sie werden dein Kind opfern, werden es schlachten wie bei den Inkas, um die Götter milder zu stimmen: AIDS und Tschernobyl, Hunger und Gewalt. Die Götter wollen ihre Opfer, damit die Menschheit überleben kann. Und dein Kind ist auserwählt dafür.
    Vera lief ans Fenster, riß es auf und schrie mit aller Kraft ihr langgedehntes «Nei-ennn!» der sinkenden Sonne entgegen.
    Mami, bitte, bitte, hol mich zurück, ich will nicht sterben!
    Vera lehnte sich weit über die Brüstung: «Katharina, wo bist du!? Ton angeben…»
    Die Leute sahen hoch zu ihr, schüttelten die Köpfe, erlebten aber zu viele Menschen dieser Art, als daß sie etwa stehengeblieben wären oder die Notarztzentrale angerufen hätten.
    Wo ist Katharinchen jetzt, überleg doch mal!
    Eine blonde Frau.
    Sie muß dich und dein Kind genauer gekannt haben…
    Wenn es nicht Jessica war, wer hat denn dann den Brief geschrieben…? Geh, such, sieh nach!
    Vera gehorchte, fand das Kärtchen und versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, wo und wann und unter welchen Umständen sie diese Handschrift schon mal gesehen hatte.
    Liebe Vera, wir waren uns heute sicher… Schweige auch du. Jessica
    … Yemayá… Kinderwagen… Mitleid… kein Wort…
    Wie ein eingesperrtes Tier, wenn draußen Schüsse fielen, durch den Käfig, so lief, hetzte, jagte sie in ihrer engen Wohnung umher, gequält, gefoltert.
    Schließlich blieb sie am Telefon stehen: «Und wenn es doch Jessica gewesen ist…!? Ich ruf mal an!»
    Warum soll dir denn Jessica dein Baby klauen; sie hat doch selber eins!
    Ja, natürlich.
    Also kann es nur eine Frau gewesen sein, die selber keine Kinder hat, aber sich sehnlichst welche wünscht.
    Eine die hier gewesen ist, um sich das Katharinchen anzusehen.
    Gucke mal, das K bei Kind und Kinderwagen …! Wer macht denn so’n K…?
    K wie Kohl, Kalbsbraten, Kalte Speisen …
    …Speisekarte!
    Ein Zittern ging durch ihren Körper, dann hatte sie’s:
    «Die Speisekarte im Matscho! Tatjana, Tatjanas Handschrift!»
    Sie war hier, sie hat dein Kind gestohlen!
    Vera stürzte zur Tür.

 
    21.
     
     
     
    Wo die Schlüterstraße den Boulevard kreuzte, staute sie sich ein wenig und bildete auf der rechten Seite des kurfürstlichen Dammes, bewegte man sich in Richtung Grunewald, eine kleine Insel mit Zeitungs- und Toilettenhäuschen, in den Karten hochtrabend als George-Grosz-Platz oder -Plätzchen verzeichnet, den Mehrzahlberlinern ebensowenig vertraut wie der bissige Graphiker und Dadaist als solcher selber; und hier nun wartete Hans-Jürgen Mannhardt mit einem Aktenkoffer in der Hand, Wuthenows Statussymbol, schnell vom Neuen Deutschland und einigen esoterisch-sozialistischen Werken entleert, beispielsweise Juri Dawydows Die sich selbst negierende Dialektik oder Joachim (nicht Barbra) Streisands Kritische Studien zum Erbe der deutschen Klassik, stand unser Mannhardt da mit seinen
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