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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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«Entschuldigung!» hinzu, damit allerdings ganz etwas anderes meinend als den Fauxpax, statt Vehlefanz, das Fontanisch war, ein von ihm besungener Ort des Havellands (Siegesbotschaft 1864: Tanz / Ist heut im Krug zu Vehlefanz), seinen schulinternen Spitznamen verwendet zu haben.
    Menschenkenntnis, Mannhardt: Fünf…!
    Gott, so viele Männer, die hier in dieser Stunde Kinderwagen schoben, gab’s nun auch wieder nicht.
    Fehlte nur, um die Komödie vollends abzurunden, daß ihm jetzt sein Koffer mit dem Geld aufsprang und Dr. Meier-Vehlefanz, einen Bankraub annehmend, 110 anrief.
    Reiß dich zusammen, das ist kein Spiel, das ist ‘n Einsatz hier, bei dem’s um alles geht!
    Während er mit dem Lehrer redete («Was machen denn die Kinder jetzt…?»), suchte er die Schlüterstraße bis zur S-Bahn-Brücke hin nach einem zweiten Mann mit Kinderwagen ab.
    Nichts. Nur Kneipen, Pinten, Restaurants en masse. TATAVLA, las er an der Ecke Mommsenstraße, groß-größer-am größten, und TABERNA, letzteres mit Bier von Engelhardt, dabei die Stimmen seiner feiernden Vorfahren im Ohr: «Engelhardt macht Stengel hart» (so Onkel Oskar, frech wie…) oder (seine Oma etwa) «Wenn das Bier im Hintern knarrt, ist es bestimmt von Engelhardt!»; hatte er Corzelius bei dessen Versuch, sein Berlin mit der Seele zu suchen, alles beibringen müssen.
    Aufzuckende Assoziationen alles, funkenschnell vorbei, nicht hinderlich.
    Links vorn, eine Lücke in der Reihe schön geputzter Zähne, ein gänzlich unbebautes Grundstück, den Subventionsabschöpfern irgendwie entgangen, dann, mit Horrorfilmbuchstaben: Die weiße Hoffnung (was das wohl meinte: Südafrika vielleicht?), gefolgt vom Knödel-Huber mit seinem schönen Löwenbräu.
    Hunger bekam er, mordsmäßigen, großen Appetit, trotz eines Magens, der ihm übervoll erschien, von bösen Säften, als Folge seiner Spannung und Erregung, langsam zerfressen, mit übler Galle gefüllt.
    Noch immer nichts, doch die Schlüterstraße ging ja bis zum Schiller-Theater nach Norden hinauf, und vieles sprach dafür, daß sein «Partner» erst dort auf ihn wartete, wo es etwas stiller war, jenseits der Kantstraßen-Linie.
    Weiter, nur noch einen schnellen Händedruck für Dr. Meier-Vehlefanz; Ariane hieß seine kleine Tochter im Wagen («…ich wünsch ihr mal ‘n raketengleichen Start ins bürgerliche Heldenleben!»).
    Die Mommsenstraße nahm er, noch bevor die Ampel umgesprungen war, erinnerte sich, hier in der Nähe einmal einen Psychologen aufgesucht zu haben, der ihnen aufgefallen war mit seinen Forschungsarbeiten über Bürokratie in Bundesdeutschland und der ihn angeworben hatte… für einen Vortrag vor SPD-verbundenen Kollegen über das berufliche Selbstverständnis deutscher Polizeibeamter; siehe die immer wieder publik werdende damals mal geleistete Amtshilfe für die braunen Mörderbanden der SA/SS. Berlin, erschreckend vernetzt: Jeder hing irgendwie mit jedem über Dritte, Vierte, Fünfte zusammen, typisch Dorf, typisch Kaff, andererseits, sagte er sich, siehe Hildegard Knef:… hier bin ich zu Haus, hier kenn ich mich aus.
    Große Sandgevierte um die Bäume herum, mit Gras darauf, ökomodern das Berlin-Charlottenburger Gartenbauamt. Im Blickfeld vorne rechts das Marjellchen, gelb-braune Schilder, wir essen zum Gedenken an die wieder verlorene Beute, Ostpreußen mein; auf der Speisekarte sicherlich die Käinichsbarcher Klopse, und Herr Buttjeräit fragte das Marjellchen: Frollein, mögen Se jätz oder erst späiter…? (Das eine natürlich!)
    Mannhardt, du bist der letzte Arsch, weeßte det!
    Direkt an der Ecke, grün und weiß wie Werder Bremen (ob die wohl diesmal Meister werden?), Wein & Spirituosen, soffen viel die Leute hier, die Charlottenburger… Fiel ihm ein, was bei seinen Großeltern ‘n Charlottenburger genannt worden war: Wenn man die Nase voll von grünem Schmatter hatte und diesen dann, die Nase zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt und mit herausgepreßter Luft noch kräftig nachgeholfen, in flacher Kurve auf das Straßenpflaster klatschen ließ, auf daß sich dann halbblinde arme Männer danach bückten und Sekunden später kräftig fluchten: Gottverdammich die Leute, die da aulen wie ‘ne Räichsmark!
    Alt bist du geworden, daß du so ertrinkst im Meer deiner Bilder und Geschichten…!
    Das Ende ist nahe bei einem, bei dem’s soweit ist…
    Todesahnungen. Wie bei Winnetou im dritten Band, wo er dann auch…
    Bleib stehen, flüchte dich ins nächste Polizeirevier, laß
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