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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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aussah wie Karl Dall, wenn der in einem Hollywoodfilm den Jesus abgegeben hätte, aber Psychologe war.
    Vor vier Wochen hatten sie ihre DDR-Tour Nr. 9 geplant, rund um Dolgenbrodt, und waren als Westberliner brav zu einem der fünf «Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten» gepilgert, hatten, doppelt natürlich, ihren «Antrag auf Einreise in die DDR» fein säuberlich ausgefüllt («Bitte mit Schreibmaschine oder in Blockschrift mit Tinte»), um dann drei Tage später glückliche Besitzer eines Passierscheins zu sein, das heißt, eines «Berechtigungsscheins zum Empfang eines Visums bei den Grenzübergangsstellen der DDR».
    Das hatte auch alles geklappt, und nach Zahlung von DM 25,-, genauer gesagt: dem Umtausch von D-Mark in Mark, war ihnen heute morgen der Eintritt prompt gestattet worden, nicht ohne angemessene Rucksackkontrolle und landesübliches Warten, versteht sich.
    «Fünfundzwanzig Mark – nicht viel für diese Reise mit der Zeitmaschine», sagte Corzelius, als sie durch Königs Wusterhausen rollten. «Deutschland, Preußen wie vor hundert Jahren, alles konserviert. Wahnsinn, diese Schläfrigkeit überall, wie in Alabama unten. Schön: kein Chrom, kein Glas, kein Dallas, keine Hektik, keine Reklame, kein Schickimicki-Deodorant über allem!» Er geriet immer mehr ins Schwärmen.
    «Aber nur, weil sie nicht so können, wie sie wollen», meinte Jürgen. «Stichwort: West-Fernsehen. Und was du an der DDR so schön findest, mögen die wohl gar nicht.»
    Der Mann im Lada schloß nun wieder auf, setzte sogar an, Stefanie, die hinter ihnen fuhr, zu überholen, ließ es aber wieder, als ihnen ein sowjetischer Armeelastwagen – CA – entgegenkam.
    «Langsam kreisen sie uns ein», bemerkte Horst.
    «Kein Wunder», lachte Mannhardt, «wo hier so viele hohe Tiere ihre Datschen haben. Und nicht so streng abgeschirmt wie am Wandlitzsee oben, wo ja der Erich, der Honnie… War ja früher mal ganz schlimm mit den Kontrollen in der Gegend hier, ‘n Stückchen weiter nördlich, bei Erkner oben, als der Havemann noch gelebt hat. Grünheide…»
    «Die Würdenträger im real existierenden Sozialismus, ach ja…» Corzelius lächelte, sagte aber nichts weiter, als Dieter ihn mit einem anmachenden «Na…!?» ansah, berief sich auf die Schweigepflicht des Journalisten, hielt dann aber einen kleinen Vortrag über das MfS, das Ministerium für Staatssicherheit, auch «die Firma» genannt oder «VEB Horch und Greif», und äußerte im Anschluß daran die Vermutung, daß möglicherweise ein Mann der Hauptabteilung Personenschutz hinter ihnen herfahre.
    «Wieso’n das?» fragte Dieter.
    «Na, ‘n Sabotageakt im Kindernahrungskombinat ‹Roter Schnuller› wird man uns ja kaum unterstellen wollen…»
    Angst hätten sie nicht, aber ein bißchen gruselig sei das alles schon, stellten sie fest.
    Königs Wusterhausen war eine wieder hübsch zurechtgemachte Kreisstadt mit etwas über 12000 mehr oder minder sozialistischen Seelen und keinem echten Arbeitslosen; zudem noch S-Bahn-Endstation. «Bei Fontane noch mit ‘nem Bindestrich geschrieben, heute aber ohne», merkte Mannhardt an, als großer Kenner des alten Wanderers heute wie schon oft ihr Cicerone. «Ihm verdanken wir die Erkenntnis, daß der Mann Theodor Fontane und nicht Theodor von Tane hieß», spottete Horst.
    Doch Mannhardt war durch nichts mehr zu bremsen. «Band IV der Wanderungen, Spreeland also, Abteilung ‹Links der Spree›, erstens: Königs-Wusterhausen. Finstrer Ort und finstrer Sinn / Nun blühen die Rosen drüber hin. Bezieht sich auf das Jagdschloß, den Lieblingsaufenthalt des preußischen Soldatenkönigs… Na…?»
    Horst drehte sich nach hinten um. «Friedrich Wilhelm I. Vater des großen Friedrich. Der, der den Katte hat enthaupten lassen. Vor den Augen des Kronprinzen, seines Freundes…»
    «Gibt’s da nicht auch ‘n Krimi drüber?» fragte Dieter.
    «Keine Ahnung», erwiderte Horst. «Ich lese keine.»
    «Da ist der Lada wieder!» rief Dieter, als sie jetzt auf die F179 kamen.
    «Noch ‘n Schlag Fontane, bitte, zur Ablenkung», sagte Horst.
    Mannhardt schlug das mitgebrachte und von den «Organen» an der Grenze unbeanstandet gelassene Buch auf und las:
    «Am Wasser hin zog sich eine schmale Wiese, von Huflattich eingefaßt, der hier und dort in grotesken Blattbildungen kleine vorspringende Inseln schuf. Hinter dem Wiesenstreifen, immer den Windungen des Flusses folgend, stand eine Reihe von Häusern, jedes einzelne durch ein blühendes
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