Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
Vom Netzwerk:
als der Bauamts-Oberbeamte, der ihm hier als Führer dienen sollte, Dubinski mit Namen, war es auch, als er sich nun vorstellte, obwohl, so schien es Corzelius, ein wenig zu chic für diesen Job. Aber warum sollten Staatsbedienstete nicht auch mal wie Dressmen aussehen?
    Sie stiegen acht Meter unter die Erde hinab, wo zwei der alten Öfen brannten, und C. C. Carsten Corzelius, hatte derart weiche Knie, daß er mehr stolperte als lief.
    «Wir haben jetzt eine so hohe Kapazität hier unten, daß wir in Berlin nicht nur mit unserer Überalterung fertig werden können, sondern auch in der Lage sind, für eine Art Sterbe-Tourismus Werbung zu betreiben…» Dubinski lachte, und Corzelius, Mannhardts gleichlautende Kommentare im Ohr, fragte sich, ob denn der Reiz Berlins nicht vor allem in seiner Dekadenz und seiner versteckten Nekrophilie begründet lag. «Berlin als großes bundesdeutsches Altersheim. Friedhofsruhe überall statt Kreuzberger Krawalle. Umdenken tut not! Das schreiben Sie aber bitte nicht!»
    «Nein, nein!» Corzelius war viel zu sehr mit sich selber beschäftigt, als daß er sich Dubinskis Sätze notiert hätte, denn gerade öffnete der Schichtführer eine Ofenklappe und gab den Blick ins Innere frei. In der sonnengleich lodernden Glut konnte er die Umrisse eines Sarges und eines darin liegenden Leichnams erkennen. Vom Skelett löste sich ein Bein.
    Er würgte Schleim hervor, Kaffee und Frühstücksreste, schluckte alles wieder hinunter, taumelte weiter, von Dubinski mit der Bemerkung erfreut, daß man es als Softie im Leben halt immer etwas schwerer hätte und ob er nicht auf Macho umsteigen wolle.
    «Die Gebühr für eine Verbrennung beträgt derzeit D-Mark dreihundertzwanzig», hörte er den Bauamtsmenschen wie aus weiter Ferne dozieren, Wattepfropfen im Ohr, als Dubinski ihm den hydraulischen Aufzug zeigte und erklärte, wie der die Särge zur anstehenden Trauerfeier schnell nach «oben pumpte» und – bei Feuerbestattungen – auch wieder zurück. Das war in einem Gewölbe, fünf Meter unter der Trauerhalle, wo sieben gestandene Männer bei fröhlicher Butterfahrten-Musik gerade ihren Preisskat droschen und literweise Billigst-Rotwein soffen. Weiter!
    Sie kamen schließlich in den Kühlraum, wo, so Dubinski, im Augenblick an die vierhundert Särge auf ihre Einäscherung warteten.
    Gerade rollten auf einem leisen Gummiwägelchen vier grauschwarz gewandete Fahrer einer stadtbekannten Bestattungsfirma einen fast pompösen Sarg herein, hielten an und hoben ihn schimpfend herunter, ließen ihn zu Boden krachen und gingen wieder hinaus.
    «Na?» fragte Dubinski. «Haben Sie Mut?»
    «Wozu?»
    «Mal einen der Särge hier aufzumachen…?»
    Corzelius mußte wieder mehrmals schlucken, «…den weißen hier…»
    «Das ist ‘n Kindersarg, den nicht! Den pompösen hier aus Eiche. Wen habt ‘n ihr da drin?» Dubinski wandte sich an einen gerade vorbeischlendernden Mann.
    «Wen wir da im Sarg drin haben…?» wiederholte der bulldoggesichtige Mann. «…’ne Erdbestattung. Warten Sie, ich hab ‘ne Liste hier… Ah, ja, Chantal isses, kennse die nich? Eine unserer schönsten Edelnutten hier…»
    «Muß ich sehen! Kommen Sie!» Dubinski zog ihn mit, und Corzelius hatte keine andere Wahl, obwohl er fürchtete, nach dem zu erwartenden Anblick für immer psychisch impotent zu werden.
    Dubinski schraubte den Sargdeckel los und hob ihn dann ruckartig hoch.
    «Nein!»
    Ein Schrei, und Dubinski, eben noch der Prototyp des harten Mannes, prallte zurück.
    Im Sarg lag nicht nur die schöne Chantal im Leichenhemd, sondern auch, voll bekleidet, unter anderem mit einer flauschigblauen Jacke, ein kleiner dünner Mann, in dem Corzelius alsbald keinen anderen als Grobi/Grobelny erkannte.

 
    2.
     
     
     
    Als Jessica vor dem Zeitungskiosk stand, schlug ihr Herz so hart und schnell, daß sie sich über diese alberne Reaktion ihres Körpers furchtbar zu ärgern begann. Sie preßte ihre rechte Hand auf die pulsende Stelle, rieb und massierte den ganzen Bereich, bis ihr so recht bewußt wurde, mit welchen Blicken die vorüberziehenden Männer sie streiften. Einerseits genoß sie es, wenn die Leute sie anstarrten, andererseits fand sie Peep-Shows und jede Art von weiblichem Exhibitionismus an sich zum Kotzen, war weiß Gott nicht scharf darauf, hier wie eine Nutte zu stehen, zumal Yemayá neben ihr im Wagen lag und aus purer Lust am Leben leise gluckste.
    «Bitte…?» Auch die dicke Zeitungsfrau im Innern der hölzernen Bude
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher