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Champagner-Fonds

Champagner-Fonds

Titel: Champagner-Fonds
Autoren: P Grote
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beugte sich vornüber und massierte seine Waden. Die Beine taten ihm weh, sie waren mehrere Stunden in der Eifel gewandert. Es war nicht leicht, mit Thomas mitzuhalten, denn der hatte einen sehr schnellen und ausgreifenden Schritt. Dabei war er nur einen halben Kopf größer, aber er brachte zwanzig Kilo weniger auf die Waage und hatte die Kondition eines Zweiundzwanzigjährigen.
    Erst seit er Betriebswirtschaft studierte, begleitete er Philipp auf seinen Wanderungen. Als er noch zur Schule gegangen war, hatte Thomas es als spießig empfunden und sich vor seinen Freunden geschämt, mit seinem Vater über die Höhen der Eifel zu wandern, vielleicht in Gesellschaft von rüstigen Rentnern mit ledernen Kniebundhosen, atmungsaktiven Mikrofaseranoraks und Energiedrinks imRucksack. Es war ihm auch unangenehm gewesen, dass man ihn sofort als Philipps Sohn erkannte, denn beide sahen sich ähnlich, beide hatten die hohe Stirn, dieselbe Haarfarbe, ihre Augen waren grau und schmal, und um den Mund zeigte sich eine Skepsis, meist von einem dezenten Lächeln gemildert.
    »Was lernt ihr in den Vorlesungen? Was erzählen die Betriebswirte in den Seminaren?« Sie hätten den ganzen Tag über Zeit gehabt, darüber zu reden, aber beim Wandern stand keinem von beiden der Sinn nach derartigen Debatten. Die wurden erst geführt, wenn sie auf dem Heimweg essen gingen oder Philipp sich zu Hause an die Zubereitung des Abendessens machte.
    »Wir analysieren ziemlich ausführlich, wie die Manager erfolgreicher Unternehmen vorgehen. Die Dozenten legen uns Fälle zur Analyse vor, und natürlich orientieren wir uns an erfolgreichen Unternehmen. Ich habe auch einen Kurs für Ethik belegt und einen für Risikomanagement. Aber bei uns, in der gesamten Betriebswirtschaft, geht es um Gewinn, um Profit, um Verdrängung der Konkurrenz, um Marktmacht und Wachstum. Das solltest du eigentlich wissen. Das ist in eurem Weinimport nicht anders.«
    »Richtig, mein Junge. Genau das ist ja mein Problem.« Philipp richtete sich auf und stöhnte. Er war erschöpft, aber mit dem Tag zufrieden. »Du kannst davon ausgehen, dass der Keim für die nächste Krise bereits in dieser drinsteckt.«
    »Eines verstehe ich nicht«, sagte Thomas.
    »Nur eines? Das ist ja toll. Ich verstehe vieles nicht mehr.«
    »Red mir nicht immer dazwischen«, meinte Thomas ärgerlich. »Was ich meine – was machen die mit dem vielen Geld? Wenn sie ihrer Freundin fünfzig rote Rosen kaufen würden   ...«
    »Die fünfzig sind für die Ehefrau, wenn sie merkt, dass die Freundin fünfundzwanzig bekommen hat   ...«
    Verwirrt sah Thomas ihn an.
    »Weil sie höchstens fünfundzwanzig ist, die Geliebte. Mit der Ehefrau ist das lange vorbei.«
    Thomas stöhnte. »Sehr witzig, Papa.« Philipp wusste, dass er diese Anrede nur gebrauchte, wenn er seinem Sohn auf den Wecker ging. »Scheinst dich ja auszukennen. Soll ich für dich mal eine Kommilitonin einladen? Ich denke da an Marion: groß, schlank, blond, lange Haare, durchtrainiert, so ein Fit-for-fun-Typ, aber dumm wie Brot. Aber die macht todsicher Karriere. Also, wieder von vorn: Wenn sie für ihr Geld einen tollen Bildband über die Camargue und ihre Pferde kaufen würden oder eine Kiste Champagner und dann Freunde einladen würden   ...«
    »Dafür braucht man keine Millionen oder Milliarden.«
    »Wofür dann?«
    »Um die Angst zu besiegen. Haben statt Sein. Besitz statt Charakter, weil der Bezug zum Leben verloren ging. Außerdem ist Geld der einzige Stoff, an dem man sich nicht überfressen kann! Von zu viel Alkohol wird man blöde und bekommt einen Leberschaden, von Schokolade wird man so fett wie von Fastfood – aber nicht vom Geld. Und man muss es nicht lagern, so wie Dagobert Duck, um darin zu baden. Es sind nur Zahlen auf dem Bildschirm oder dem Kontoauszug. Ernst wird es erst, wenn die Leute ihr Geld von den Banken zurückhaben wollen oder wenn tatsächliche Werte verloren gehen.«
    »Du machst auch Geschäfte, kaufst Wein und verkaufst ihn teurer.«
    »Immerhin stehen eine Leistung und ein konkreter Wert dahinter. Außerdem spekulieren wir nicht damit, wir kalkulieren unsere Kosten und rechnen sie – und den Gewinn – dem Einkaufspreis hinzu.« Philipp hielt inne, sah seinen Sohn an und sagte dann in einem nachdenklichen, eher nach innen gerichteten Ton: »Allerdings glaube ich manchmal, dass es Klaus Langer am liebsten hätte, wenn wir die einzige Firma in Deutschland wären, die französische Weineimportiert, und wenn alle
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