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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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ölgetränkte Bretter Wärme ausstrahlten. Cadfael öffnete die Tür. »Hier wirst du schlafen, Godric.«
    Am einen Ende des Raumes stand eine Bank, auf der ein Bett bereitet war. »Hier setze ich die Arzneien an«, erklärte Cadfael, »man muß sich regelmäßig um sie kümmern, um manche auch schon sehr früh, denn wenn man nicht achtgibt, verderben sie.
    Ich werde dir zeigen, was du zu tun hast, es ist nicht weiter schwer. Hier ist dein Bett, und diese Luke kannst du öffnen, wenn du frische Luft willst.« Der Junge musterte Cadfael mit einem abschätzenden Blick; seine großen dunkelblauen Augen blickten ihn unverwandt an. Es schien, als spiele ein Lächeln um seine Lippen, aber es schimmerte auch ein Gefühl verletzten Stolzes durch. Cadfael wandte sich zur Tür und machte ihn auf den schweren Riegel aufmerksam, der sie von innen sicherte, und daß es, wenn er einmal vorgelegt war, unmöglich war, sie von außen zu öffnen. »Du kannst die Welt und mich aussperren, so lange du willst.«
    Der Junge Godric war in Wirklichkeit alles andere als ein Junge.
    Er sah Cadfael jetzt trotzig und gekränkt, aber alles in allem sehr erleichtert an.
    »Wie habt Ihr es herausgefunden?« fragte sie und reckte das Kinn vor.
    »Wie wärst du im Dormitorium zurechtgekommen?« fragte Bruder Cadfael zurück.
    »Das wäre kein großes Problem gewesen. Jungen sind nicht sehr schlau, ich hätte sie schon irregeführt. Bei einer solchen Verkleidung«, sie raffte einige Falten ihres Kittels, »sehen alle gleich aus, und Männer sind blind und dumm.«
    Sie mußte lachen, als ihr einfiel, wie mühelos Cadfael sie durchschaut hatte, und mit einemmal war sie ganz Frau, und ihre Heiterkeit und Erleichterung machten sie überraschend schön. »Oh, Ihr nicht! Aber wie habt Ihr es herausgefunden?
    Ich habe mich so bemüht, ich dachte, ich könnte jeden täuschen. Was habe ich falsch gemacht?«
    »Du hast es sehr gut gemacht«, sagte Cadfael beruhigend.
    »Aber ich bin vierzig Jahre lang in der Welt herumgekommen, von einem Ende zum anderen, bevor ich das Gelübde ablegte und hierher kam, um ein ruhiges, erfülltes Ende zu finden. Ja, was hast du falsch gemacht? Versteh mich jetzt richtig und betrachte das, was ich dir sage, als einen guten Rat von einem Freund. Als du mir hitzig widersprachst, wurde deine Stimme heller, und zwar ganz übergangslos. Das kann man lernen – wenn wir Zeit haben, werde ich es dir beibringen. Und dann, als ich dir sagte, du solltest es dir bequem machen und deinen Kittel ausziehen – nein, du brauchst nicht rot zu werden, zu dem Zeitpunkt war ich noch gar nicht sicher! –, da hast du dich natürlich geweigert. Und schließlich, als ich dich den Stein werfen ließ, da hast du ihn geschleudert wie ein Mädchen, ohne den Arm über deinen Kopf zu heben. Hast du schon einmal einen Jungen so werfen sehen? Laß dich nicht dazu verleiten, bis du es gelernt hast. Es verrät dich sofort.«
    Er hielt inne und schwieg geduldig, denn sie hatte sich auf das Bett gesetzt und den Kopf in die Hände gestützt. Erst lachte sie, dann weinte sie, und dann tat sie beides gleichzeitig. Er ließ sie in Ruhe – sie hatte nicht mehr die Fassung verloren als ein Mann, der Gewinne und Verluste erlitten hatte und jetzt die Bilanz zog. Nun glaubte er wohl, daß sie siebzehn war, ein Mädchen an der Schwelle zur Frau. Und sie würde eine gute Frau sein.
    Nach einer Weile wischte sie ihre Tränen mit dem Handrücken ab und sah ihn lächelnd an. »Habt Ihr das wirklich ernst gemeint?« sagte sie. »Daß Ihr verantwortlich seid für mich?
    Daß ich Euch vertraue, habe ich Euch ja schon gesagt.«
    »Mein Kind«, sagte Cadfael geduldig, »was kann ich anderes tun als dir dienen, so gut ich kann, und dich sicher von hier wegbringen, wo immer du hinwillst?«
    »Aber Ihr wißt doch nicht einmal, wer ich bin«, sagte sie verwundert. »Wer vertraut jetzt wem zu sehr?«
    »Was macht es schon, wenn ich weiß, wie du heißt? Ein Mädchen, das hier Zuflucht sucht und das zu seiner Familie will – ist das nicht genug? Was du mir sagen willst, wirst du mir sagen, und mehr brauche ich nicht zu wissen.«
    »Es wird am besten sein, wenn ich Euch alles erzähle«, sagte das Mädchen und sah ihn mit großen, aufrichtigen Augen an.
    »Mein Vater ist in diesem Augenblick entweder in der Burg von Shrewsbury und in äußerster Lebensgefahr oder aber zusammen mit William FitzAlan auf der Flucht in die Normandie zur Kaiserin, und er wird sicher von allen gehetzt. Ich
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