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PR 2687 – Alles gerettet auf ewig

PR 2687 – Alles gerettet auf ewig

Titel: PR 2687 – Alles gerettet auf ewig
Autoren: Wim Vandemaan
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Prolog
    21. Dezember 1469 NGZ
    Nachts, ein Berg bei Matrei
     
    Wovor habe ich am meisten Angst?
    Der Schnee machte dieses trocken-schmatzende Geräusch, als Aimo Horner den Stiefel hob und weiterging. Der Sonnenpulk versank allmählich im Westen; die Wolken färbten sich wie die Palette eines von Farbe betrunkenen Malers: Messing, Purpur und Scharlach. Weiter im Osten lag die Schale des Himmels schon schwarz und leer.
    Vor Horner schwebte der Sherpa. Das Kopfsegment der Maschine leuchtete und tauchte das Schneefeld in stilles, fast feierliches Licht. Der Grünschiefer des nackten Felsens zu Horners Linken wirkte wie von Regen nass.
    Ein Vogel glitt durch die Luft, scheinbar zum Greifen nah. Die ausgebreiteten Schwingen starr und finster, der Bauch rostrot.
    »Ein Bartgeier«, informierte ihn der Sherpa. Die Maschine hatte seine Blickrichtung bemerkt und den Vogel identifiziert. »Soll ich diese Begegnung im Protokoll vermerken?«
    Begegnung? Der Greifvogel war längst außer Sicht geglitten. Das Tier musste Aas gewittert haben. Es ernährte sich von den Knochen und dem Muskelfleisch der erfrorenen Tiere. Es erntete, was der Fimbul-Winter gesät hatte: Kadaver.
    »Keine Notiz!«, wies Horner die Maschine an. »Überhaupt ist kein Protokoll nötig.« Er griff sich ans Kinn und lüpfte die transparente Thermofolie. Die Kälte verbiss sich augenblicklich in seine Haut.
    Wer hatte behauptet, dass Kälte klirrte?
    Kälte war lautlos.
    »Du solltest die Folie nicht verrücken«, warnte ihn der Sherpa. »Erfrierungen drohen.«
    Horner antwortete nicht.
    Er stand still. Wie lange? Er spürte, wie sich die Struktur seiner Hose veränderte und langsame, wohlige Wellen warf. Der Stoff massierte seine Schenkel, Wärme floss in die Kniegelenke. Es schneite wieder – große, einzelne Flocken. Woher nur? Horner sah keine Wolke am Himmel.
    Das Gebirge war, seit die Sonne in ihrem Fimbulkrustengrab lag, von Menschen verlassen. Er hatte keine Ahnung, ob der Umbrische Gong in dieser Höhe zu hören gewesen wäre. Der Gong von Matrei schlug nicht mehr. Horner wusste nicht, wer ihn desaktiviert hatte. Er wusste auch nicht, warum die Sayporaner diesen Gong überhaupt installiert hatten: Außer Horners Sohn Basil war niemand anderes aus dem Ort nach Wien und von dort über das Transitparkett gegangen.
    Basil war immer gewesen, was man ein stilles Kind nannte: blass, arglos, frei von Hintergedanken. Ein Kind wie eine leere Datei.
    Aber nicht sehr ängstlich.
    Horner dagegen war ein ängstlicher Vater. Er hatte vieles gefürchtet: eine unheilbare Krankheit, eingeschleppt von den Sternen. Einen Unfall. Oder, wenn er ehrlich war, dieses: dass Basil im Leben nicht Fuß fassen würde.
    Wovor habe ich am meisten Angst?
    Dann war Basil gegangen, sang- und klanglos über das Parkett in einen namenlosen Sektor außerhalb des wirklichen Universums, dorthin, wohin nicht einmal der Arm der terranischen Flotte reichte.
    Dieser starke Arm aus Metallplastik und unausdenklichen Mengen von Energie, der am Ende doch, was Horner immer gefürchtet hatte, hilflos war gegen die wirkliche Gefahr. Was hatten die Sayporaner ins Feld geführt? Schlachtschiffe? Nein. Eine einfache Melodie. Eine leise Verheißung. Und siehe da, die mächtige Flotte, die standgehalten hatte gegen die Einheiten der Terminalen Kolonne, hatte die Flüchtlinge nicht halten können, die ihr Heil in einer neuen Welt suchten, fern der Festung Solsystem.
    Basil war verlorengegangen.
    Horner hatte natürlich um Auskunft gebeten von den Mitgliedern des Umbrischen Rates. Ein kurzes Hologespräch nach Terrania. Ja, hatte das junge Ratsmitglied gesagt, dessen Namen Horner längst wieder vergessen hatte. Ja, Basil befinde sich auf Gadomenäa im Weltenkranz der Sayporaner. Seine Neuformatierung mache erfreuliche und vielversprechende Fortschritte.
    An eine Rückkehr sei nicht gedacht.
    Horner hatte noch eine Weile vor dem erloschenen Holo gesessen und in die winzige, daumennagelgroße Schwärze geschaut, das dunkle Stand-by.
    An eine Rückkehr war nicht gedacht.
    Horner stapfte einige Schritte weiter, dorthin, wo Jica lag.
    Jica war nicht Basils biologische Mutter gewesen. Horner wusste nicht einmal, in welchem Sonnensystem diese biologische Mutter zurzeit lebte.
    Ob sie überhaupt noch lebte? Wahrscheinlich. Jica dagegen war tot. Sie war am 6. September 1469 NGZ gestorben, als das Solsystem in die Anomalie versetzt worden war.
    Ein Unfall.
    Noch einige Schritte. An der Felsspalte blieb Horner
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