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PR 2687 – Alles gerettet auf ewig

PR 2687 – Alles gerettet auf ewig

Titel: PR 2687 – Alles gerettet auf ewig
Autoren: Wim Vandemaan
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stehen. »Leuchte nach unten!«, befahl er dem Sherpa.
    Der Roboter fokussierte seinen Scheinwerfer. Aber das Lichtbündel verlor sich im dichter gewordenen Schneetreiben.
    In diesen Abgrund war Jica gestürzt, an jenem Tag, als die Erde sich – von allen guten Geistern verlassen – durch ein neues Weltall drehte, in dem die Maschinen der Menschen genauso versagten wie die Naturgesetze.
    »Wozu quälst du dich?«
    »Ich quäle mich nicht«, sagte er.
    Was wusste der Sherpa von Qual? Das Klümpchen Plasma im positronischen Segment befähigte ihn, die Gemütslage seines Klienten zu erkennen und gegebenenfalls entsprechend zu reagieren: Zeigte das Menschengesicht Freude? Mahne es vor Übermut und Leichtsinn. Zeigte es Erschöpfung? Mahne es zur Ruhe; reiche ihm Stärkungsmittel. Zeigte es Anzeichen von Resignation? Ermuntere es.
    Horner sagte: »Es geht mir gut.«
    »Ich erlaube mir, meinen Rat zu erneuern«, sagte die Maschine: »Lass die Leiche der Frau bergen und mit der dazu gebräuchlichen Zeremonie bestatten.«
    »In der Erde?«
    »Das ist ein übliches Verfahren«, erklärte der Sherpa.
    »Aber in der Erde liegt sie doch schon!«, sagte Horner und lachte auf. »Da unten liegt sie.«
    In den Eingeweiden einer erfrorenen Welt. Er streckte den Arm aus und wies nach unten. Der Sherpa schwieg.
    Als Horner wieder zum Himmel blickte, war der Mond zu sehen. Er wirkte fahl, fast durchsichtig. Der Sonnenpulk, der nun die andere Seite der Erde beschien, hatte nicht viel Licht für ihn übrig. Die Folie hatte den Temperaturverlust der entblößten Haut längst bemerkt und sich wieder schützend über sein ganzes Gesicht gelegt. Wie sorgfältig die Gerätschaften mit den Menschen umgingen. Sie waren wie Kinder, die, nachdem sie erwachsen geworden waren, die alten, müden Eltern zudeckten und die vererbten Lügen aufsagten: Schlaft nur ruhig. Es ist alles gut.
    Horner empfand sich wie ein Fremdkörper in der Nacht: das letzte Stück Mensch in der Frostwelt. Der Bartgeier hatte noch einmal geschrien, es hatte sich ratlos angehört. Hatte das Tier keine vom Schnee entblößte Knochenschmiede gefunden, auf der er die gefundenen Knochen zerschellen lassen konnte, um an das Mark zu kommen?
    »Kehren wir um«, sagte Horner sehr müde.
    »Es ist ein langer Abstieg. Ich könnte stattdessen einen Gleiter ordern«, bot der Sherpa an. »Es wäre eine Sache von wenigen Minuten.«
    »Ich weiß.«
    »Aber das willst du nicht«, erriet die Maschine.
    »Ich will nicht.«
    »Werden wir morgen wieder hierhin gehen?«
    »Wie jeden Tag.«
    Wovor hast du am meisten Angst?
    Alles, wovor er die meiste Angst gehabt hatte, war eingetreten. Er hatte alles hinter sich gelassen. Er hatte nichts mehr. Er wünschte, ihm wäre wenigstens noch die Angst geblieben.

1.
    19. Dezember 1469 NGZ
    Pareezad im Weltenkranz-System
     
    Eine Spinne mit Schildkrötenkopf – was ist nur aus mir geworden!, dachte Toufec. Er wendete den Kopf und schaute Ynirt, den Gaukler, an: Der Gyvie ähnelte tatsächlich einer Riesenspinne, an deren kurzem Hals ein Schildkrötenkopf pendelte – und Toufec war zurzeit sein Ebenbild.
    Auch in seiner mal mehr, mal weniger glorreichen Zeit als Karawanenräuber und Wegelagerer an der Weihrauchstraße von Tiamat war er in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich gewesen. Hinterhalte waren okay, wenn man zahlenmäßig unterlegen war; ebenso jeder Mummenschanz oder die Ablenkung der Karawanenführer und ihrer griesgrämigen Wächter durch großes Tamtam: Ein paar jugendliche Rabauken aus Tiamat hatten die Wächter lautstark durch freche Gesänge und obszöne Gesten provoziert und fortgelockt von der Karawane, woraufhin Toufec und ein paar Söhne seines Oheims zur Tat geschritten waren.
    Die Rabauken waren mit ein paar Harzperlen belohnt worden, der Großteil der Beute in die Schatulle des Oheims gewandert. Bei Toufec aber war genug geblieben, um der Schönheit von Tutana zu huldigen, der schönsten Assyrerin von ganz Tiamat.
    Und alle waren zufrieden gewesen.
    Und nun?
    Toufec blickte kurz zum Himmel. Die Sonne Banteira lag eine Handbreit über dem Horizont wie ein zerlaufender Fleck roter Tinte. Anders als die Sonne über Terra zeigte das rote Riesengestirn keinen kreisförmigen Umriss. Er war nicht auf der Erde, und die Rabauken von Tiamat waren seit Jahrtausenden Staub und vergessen. Für das große Tamtam waren zurzeit auch keine Rabauken zuständig, sondern Flottenadmiral Stariou Jalhay.
    Und der hatte wenig von einem
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