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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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bin eine Last für jeden, der sich jetzt mit mir abgibt, und wahrscheinlich wird man versuchen, meiner als Geisel habhaft zu werden, sobald sie merken, daß ich nicht da bin, wo ich sein sollte. Und auch Euch bringe ich in Gefahr, Bruder Cadfael. Ich bin die Tochter von FitzAlans Hauptvasallen und Freund. Mein Name ist Godith Adeney.«
    Osbern, der Krüppel, der schon als Säugling verkümmerte Beine gehabt hatte, war das niederste Wesen im Lager der königlichen Armee. Er saß auf einem kleinen Karren und stieß sich mit den Händen am Boden ab, und so war es ihm möglich, sich mit unglaublicher Geschwindigkeit fortzubewegen.
    Normalerweise hatte er seinen Platz bei dem Tor, das von der Burg in die Stadt führte, aber er hatte diesen gefährlichen Ort rechtzeitig verlassen und hoffnungsvoll einen Posten am Rande des Lagers bezogen, so nahe wie möglich an der Hauptwache, wo die Großen ein-und ausgingen. Der König war bekannt für seine Großzügigkeit (außer seinen Feinden gegenüber), und die Einnahmen waren nicht schlecht. Die hohen Offiziere waren vielleicht zu beschäftigt, um einen Gedanken oder ein Almosen an einen Bettler zu verschwenden, aber einige von denen, die nach reiflicher Überlegung, welcher Seite das Glück sich zuwendete, beschlossen hatten, die Gunst des Königs zu erlangen, waren geneigt, den Armen etwas zu geben – als eine Art Bestechungsgeld an Gott. Und wenn sie dienstfrei hatten und guter Laune waren, warfen auch die gemeinen Soldaten und sogar die Flamen Osbern ein paar Kupfermünzen oder die Reste ihrer Mahlzeit zu.
    Er hatte sich mit seinem kleinen Karren in den Windschatten einiger kleiner Bäume in der Nähe des Wachtpostens zurückgezogen, wo er um eine Brotrinde oder einen Schluck Wasser bitten konnte und in der Nacht etwas von der Wärme des Feuers abbekam. Nach der Hitze eines Augusttages konnten auch die Sommernächte kühl sein, und wenn man nur einige Lumpen besaß, war ein Feuer erst recht willkommen. Die Soldaten legten hin und wieder Torf auf, so daß es nicht zu hoch brannte, aber genug Licht spendete, um jeden, der so spät noch kam, kontrollieren zu können.
    Es war fast Mitternacht, als irgend etwas Osbern aus seinem leichten Schlaf weckte. Er lauschte angestrengt und hörte ein Rascheln im Gebüsch links hinter sich, in Richtung der Burgsiedlung, aber abseits von der offenen Straße. Jemand näherte sich von der Stadt her, und er war gewiß nicht durch das Haupttor gekommen, sondern hatte einen Umweg entlang des Flusses genommen. Osbern kannte die Stadt in-und auswendig. Entweder handelte es sich um einen Kundschafter – aber warum sollte der hier, in der Nähe des Lagers, noch Vorsicht walten lassen? –, oder jemand hatte die Stadt oder die Burg heimlich über den einzigen noch verbleibenden Weg durch das Fluß-Tor verlassen.
    Eine dunkle Gestalt, die sich in der mondlosen Nacht fast nur aufgrund ihrer Bewegung erahnen ließ, schlich sich aus dem Gebüsch und näherte sich gebückt und lautlos den Wachtposten. Auf den Anruf der Wache blieb der Mann sofort stehen und hielt schweigend aber gespannt inne. Osbern sah den undeutlichen Umriß eines schlanken Körpers, der in einen schwarzen Umhang gehüllt war, so daß nur der bleiche Schimmer eines Gesichtes zu erkennen war. Die Stimme, die auf den Anruf antwortete, war jung und hell; quälende Angst und verzweifelte Dringlichkeit schwangen in ihr mit.
    »Ich bitte um Audienz – ich bin nicht bewaffnet! Bringt mich zu Eurem Befehlshaber. Ich habe Informationen – zum Vorteil des Königs...«
    Sie hießen ihn ins Wachzelt treten und durchsuchten ihn, um sicher zu gehen, daß er wirklich unbewaffnet war; Osbern konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde, aber jedenfalls bekam der Fremde seinen Willen.
    Er wurde ins Lager geführt, und Osbern konnte ihn nicht mehr sehen.
    Osbern konnte nicht mehr einschlafen. Die Kälte der frühen Morgenstunden drang durch seine ärmlichen Lumpen. Wenn mir der liebe Gott doch einen Umhang wie den da schenken würde! dachte er. Und doch hatte sogar der Besitzer dieses prächtigen Kleidungsstückes gezittert; aus dem Beben seiner Stimme waren sowohl Angst als auch Hoffnung herauszuhören gewesen. Ein merkwürdiger Zwischenfall, gewiß, aber ohne Bedeutung für einen armen Bettler. Jedenfalls nicht, bis er dieselbe Gestalt wieder in den dunklen Gassen des Lagers auftauchen und am Tor Halt machen sah. Die Schritte des Mannes waren jetzt unbeschwerter und länger, sein Auftreten weniger
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