Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Kapitel I
    Bruder Cadfael arbeitete in dem kleinen Küchengarten, der neben dem Fischteich des Abtes lag, als man den Jungen zu ihm brachte. Es war ein heißer Mittag im August, und wenn er genügend Helfer gehabt hätte, so wären sie um diese Zeit wahrscheinlich schnarchend im Schatten gelegen, anstatt in der sengenden Sonne zu schwitzen; aber der Einzige ihm zugeteilte Gehilfe, der sein Noviziat noch nicht beendet hatte, hatte die Meinung über seine Berufung zum Klosterleben geändert und sich aufgemacht, um im Bürgerkrieg um die Krone Englands an der Seite seines älteren Bruders für König Stephen zu kämpfen; der andere, dessen Familie für die Kaiserin Maud eintrat, hatte angesichts des Näherrückens der königlichen Armee Angst bekommen. Das elterliche Rittergut in Cheshire erschien ihm weit sicherer als das belagerte Shrewsbury. So war Cadfael also ganz auf sich gestellt, aber er hatte in seinem Leben schon unter glühenderen Sonnen als dieser gearbeitet, und er war fest entschlossen, das ihm anvertraute Reich nicht verkommen zu lassen, ganz gleich, ob die Welt um ihm herum im Chaos unterging oder nicht.
    In diesem Frühsommer 1138 dauerte der Bruderkrieg, der bis jetzt einen eher planlosen Verlauf genommen hatte, schon zwei Jahre, aber noch nie vorher war Shrewsbury so unmittelbar betroffen gewesen. Wie der Schatten des Todes hing die Drohung nun über Burg und Stadt. Dennoch waren Bruder Cadfaels Gedanken nicht auf Zerstörung und Krieg gerichtet, sondern stets auf Leben und Wachstum, und er ahnte nicht, daß eine andere Art des Tötens, nämlich gemeiner Mord, der in diesen gesetzlosen Zeiten ein hinterhältiges Verbrechen war, schon bald den Frieden seines Daseins stören sollte.
    Normalerweise hätte er im August nicht soviel im Garten zu tun gehabt, aber für einen allein gab es mehr als genug Arbeit, die erledigt werden mußte. Man hatte ihm Bruder Athanasius als Hilfe angeboten, aber der war taub, ziemlich senil und konnte eine Heilpflanze nicht von Unkraut unterscheiden. Also hatte Cadfael das Angebot abgelehnt. Alleine kam er weit besser zurecht. Ein Beet für die späten Kohlarten mußte vorbereitet und die Samen der winterfesten Sorten ausgesät werden, die Erbsen mußten geerntet und die vertrockneten Halme der ersten Getreideernte eingebracht werden, für Futter und Streu.
    Und in dem Holzverschlag im Herbarium, auf das er besonders stolz war, hatte er außer Kräuterweinen, die jetzt blubbernd goren, in Glasgefäßen und Mörsern auf den Regalen ein halbes Dutzend Essenzen angesetzt, nach denen er mindestens einmal täglich schauen mußte. Jetzt war Erntezeit für die Heilkräuter, und er mußte alle Arzneien zubereiten, die man im Winter brauchen würde.
    Es entsprach nicht seiner Art, irgendeinen Teil seines kleinen Königreiches verkommen zu lassen, wie schlimm der Kampf um den englischen Thron zwischen den Geschwisterkindern Stephen und Maud außerhalb der Klostermauern auch tobte.
    Als er Kompost auf das Kohlbeet verteilte, konnte er die Rauchschwaden sehen, die sich über den Dächern des Klosters, der Stadt und der Burg drüben zusammenballten, und den ätzenden Gestank des Brandes gestern riechen. Diese Brandwolken und der üble Geruch hingen nun schon seit fast einem Monat wie eine Dunstglocke über Shrewsbury, während König Stephen in seinem Lager vor der Burgsiedlung wütete und tobte. Das Lager blockierte, wenn man von den Brücken absah, die einzige Zufahrt zur Stadt, und William FitzAlan, der ein banges Auge auf seine dahinschwindenden Vorräte hatte, hielt die Burg mit wilder Entschlossenheit und überließ es seinem unverbesserlichen Onkel Arnulf von Hesdin, der nie gelernt hatte, daß Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist, die Belagerer mit den wüstesten Verwünschungen zu bedenken. Die Einwohner der Stadt zogen die Köpfe ein, verbarrikadierten ihre Türen und schlossen ihre Geschäfte oder flohen, wenn sie konnten, westwärts nach Wales, zu alten, vertrauten Feinden, die man weniger zu fürchten hatte als Stephen. Den Walisern paßte es sehr gut, daß die Engländer – sofern man Maud und Stephen überhaupt als Engländer bezeichnen konnte! – sich gegenseitig bekämpften und Wales in Ruhe ließen, und sie halfen den Flüchtlingen bereitwillig, vorausgesetzt, der Krieg ging munter weiter.
    Cadfael richtete sich auf und wischte sich den Schweiß auf seiner Tonsur ab; die kahle Stelle auf seinem Kopf war von der Sonne so verbrannt, daß sie aussah wie eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher