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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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Wachoffiziers, ihre Augen waren niedergeschlagen, ihr kleines, zartes Gesicht mit den ungewöhnlich großen und edel geschwungenen Augenbrauen war nun, da sie ihre Aufgabe treu erfüllt hatte, müde und traurig. Von seinem Platz vor dem königlichen Zelt hatte er jedes Wort gehört. Nun sah sie aus, als wolle sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, wie ein kleines Mädchen nach einer anstrengenden Prüfung, eine Kind-Braut, die man ihres Reichtums oder ihrer Herkunft entsprechend in teure Kleider gesteckt hat, und die kurzerhand wieder ins Kinderzimmer geschickt wird, wenn die Zeremonie vollzogen ist. Wie verzaubert ging der Wachoffizier des Königs neben ihr her, wie ein Eroberer, der erobert worden ist, und das war auch wohl kaum verwunderlich.
    »Tretet ein, der König erwartet Euch«, hörte er die gutturale Stimme Willem Ten Heyts neben sich. Er wandte sich um und bückte sich, um das Zelt zu betreten. Im Dämmerlicht, das im Inneren herrschte, war die stattliche Gestalt des Königs nur undeutlich zu erkennen.
    »Hier bin ich, Herr«, sagte Hugh Beringar und verbeugte sich.
    »Hugh Beringar von Maesbury, mit allem was ich habe, zu Euer Gnaden Diensten. Mein Aufgebot ist nicht groß, sechs Ritter und etwa fünfzig bewaffnete Männer, aber die Hälfte von ihnen Bogenschützen und gut ausgebildet. Sie alle stehen Euch zur Verfügung.«
    »Euer Name, Herr Beringar, ist uns bekannt«, sagte der König trocken. »Ebenso Eure Besitzungen und Eure Gefolgschaft.
    Daß sie uns zur Verfügung stehen, ist uns neu. Ich habe gehört, daß Ihr bis vor kurzem noch ein Verbündeter der Verräter FitzAlan und Adeney wart. Euer Sinneswandel kommt recht unerwartet. Seit vier Wochen bin ich in dieser Gegend, ohne daß Ihr Euch bei mir gemeldet hättet.«
    Ohne sich vorschnell zu entschuldigen und mit keinem Anzeichen des Unbehagens über diesen kühlen Empfang sagte Beringar: »Euer Gnaden, von klein auf habe ich diese Männer, die Ihr verständlicherweise Verräter nennt, als Freunde und meinesgleichen betrachtet, und sie haben mich nie im Stich gelassen. Ihr seid ein einsichtiger Mann und werdet verstehen, daß für jemanden wie mich, der bis jetzt noch keinem Gefolgschaft geschworen hat, die Entscheidung über den weiteren Verlauf des Weges eine Sache ist, die wohl bedacht sein will, da sie ja nicht widerrufen werden darf. Daß König Henrys Tochter einen vertretbaren Anspruch auf den Thron hat, steht sicherlich außer Frage. Ich kann einen Mann, der für sie eintritt, nicht einen Verräter nennen, obgleich es zu verurteilen ist, wenn er den Eid, den er Euch gab, gebrochen hat. Was mich betrifft, so bin ich erst vor einigen Monaten auf meine Besitzungen zurückgekehrt, und ich habe bis jetzt noch keinem den Treueeid geleistet. Ich habe es mir reiflich überlegt, wem ich dienen will. So stehe ich denn vor Euch. Die, welche sich um Euch scharen, ohne lange überlegt zu haben, könnten Euch genauso schnell auch wieder verlassen.«
    »Und das werdet Ihr nicht?« meinte der König mißtrauisch.
    Kritisch betrachtete er diesen kühnen und vielleicht etwas zu wortreichen jungen Mann. Nicht sehr kräftig, mittelgroß und schlank, aber mit ausgewogenen und sicheren Bewegungen; was ihm an Größe und Schlagkraft fehlte, mochte er durch Flinkheit und Beweglichkeit wettmachen. Zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahre alt, schwarze Haare, ein schmales, aufmerksames Gesicht und buschige, geschwungene Augenbrauen. Ein unberechenbarer Bursche – es war unmöglich, an seinem Gesicht abzulesen, was sich hinter den tiefliegenden Augen verbarg. Seine offenen Worte konnten ebenso gut ehrlich gemeint wie berechnend sein. Es war ihm zuzutrauen, daß er den König genau taxiert hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, daß Aufrichtigkeit die beste Taktik sei.
    »Nein das werde ich nicht«, sagte er mit Bestimmtheit. »Aber nicht nur mein Wort steht dafür. Ich bin bereit, es zu beweisen.
    Ich bitte Euer Gnaden, mich auf die Probe zu stellen.«
    »Ihr habt Eure Streitkräfte nicht mitgebracht?«
    »Nur drei meiner Männer begleiten mich. Es wäre töricht, eine gute Burg ohne Bemannung oder unterbesetzt zurückzulassen, und ich würde Euch einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich von Euch verlangte, fünfzig weitere Männer zu versorgen.
    Befehlt mir nur, wo ich Euch dienen soll, und es soll geschehen.«
    »Nicht so schnell«, sagte Stephen. »Auch andere wollen oft eine Bedenkzeit, bevor sie Euch mit offenen Armen empfangen, junger Mann. Vor nicht
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