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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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verschrumpelte Haselnuß. Bruder Oswald, der Almosenverwalter, kam den Pfad herunter eilig auf ihn zu. Die Schöße seiner Kutte flatterten, und er schob einen etwa 16jährigen Jungen vor sich her, der, wie die Bauern der Gegend, einen groben Kittel und eine kurze Hose trug. Er hatte keine Strümpfe, aber sehr ordentliche, lederne Schuhe an und wirkte alles in allem frisch gewaschen und für einen besonderen Anlaß ausstaffiert. Der Junge ließ sich willig leiten und hatte die Augen in nervöser Demut niedergeschlagen. ›Noch eine Familie, die dafür sorgt, daß ihre Kinder nicht für eine der beiden Seiten zum Kriegsdienst gezwungen wird‹, dachte Cadfael, ›und man kann es ihnen auch kaum verdenken.‹
    »Ich glaube, du brauchst einen Gehilfen, Bruder Cadfael, und hier ist ein Junge, der behauptet, daß er harte Arbeit nicht scheut. Eine Frau aus der Stadt hat ihn zum Pförtner gebracht und gebeten, er möge aufgenommen und erzogen werden wie ein Laienbruder. Er ist ihr Neffe aus Hencot, sagt sie. Seine Eltern sind tot. Sie hat ihm Unterhaltsgeld für ein Jahr mitgegeben. Prior Robert hat Erlaubnis gegeben, ihn aufzunehmen, und im Dormitorium der Jungen ist noch Platz.
    Er wird mit den anderen Novizen am Unterricht teilnehmen, aber ein Gelübde braucht er erst ablegen, wenn er selber es will. Was meinst du – willst du ihn haben?«
    Cadfael betrachtete den Jungen mit Interesse, und da er froh war, eine junge und willige Arbeitskraft zu bekommen, war er, ohne lange zu überlegen, einverstanden. Der Knabe war zart gebaut, machte aber einen lebhaften und sicheren Eindruck und bewegte sich flink. Er blinzelte aufmerksam unter einem zurechtgestutzten Gewirr brauner Locken hervor. Seine Augen mit den langen Wimpern waren dunkelblau und machten einen hellwachen und intelligenten Eindruck. Zwar benahm er sich bescheiden und wohlerzogen, aber er wirkte keineswegs verschüchtert.
    »Ich nehme dich herzlich gerne«, sagte Cadfael, »wenn dir die Arbeit an der frischen Luft mit mir zusagt. Wie heißt du, mein Junge?«
    »Godric«, kam die Antwort mit leiser, belegter Stimme. Der Knabe musterte Cadfael ebenso eingehend wie dieser ihn.
    »Nun gut, Godric, ich glaube, wir werden ganz gut miteinander auskommen. Zuerst werde ich dir den Garten zeigen, wenn du magst, und dir erklären, welche Arbeiten erledigt werden müssen. Du wirst dich natürlich noch an das Leben innerhalb dieser Mauern gewöhnen müssen. Vielleicht wirst du es recht seltsam finden, aber immerhin ist es hier sicherer als in der Stadt dort drüben, und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum deine brave Tante dich zu uns gebracht hat.«
    Der Junge warf ihm aus seinen blauen Augen einen kurzen Blick zu, schlug sie aber sofort wieder nieder.
    »Begleite nachher Bruder Cadfael zur Vesper«, wies ihn der Almosenverwalter an, »und nach dem Abendessen wird Bruder Paul, der Aufseher der Novizen, dir dein Bett zeigen und dich über deine Pflichten aufklären. Beherzige, was Bruder Cadfael dir sagt, und sei so folgsam, wie es von dir erwartet wird.«
    »Ja, Herr«, sagte der Junge gehorsam. Unter der demütigen Oberfläche ließ sich ein kleines Lachen erahnen. Als Bruder Oswald davoneilte, folgten ihm die blauen Augen, bis er außer Sichtweite war, und richteten sich dann auf Cadfael. Der Junge wirkte verschlossen; er hatte ein schmales Gesicht mit einem großen Mund, der sicher gerne lachte, aber schnell wieder in ernste Schwermut verfiel. Es waren harte Zeiten, auch für Menschen heiteren Charakters.
    »Komm, schau dir mal an, welche Art von Arbeit auf dich wartet«, sagte Cadfael aufmunternd und legte den Spaten beiseite, um seinen neuen Gehilfen durch den eingezäunten Garten zu führen und ihm das Gemüse, die Kräuter, die die Mittagsluft mit ihrem Duft erfüllten, die Fischteiche und die Erbsenbeete zu zeigen, die fast bis hinunter an den Bach reichten. Das erste Feld war schon abgeerntet, aber auf dem später gesäten Feld hingen die Hülsen schwer und erntereif.
    »Die müssen heute und morgen abgeerntet werden. In dieser Hitze dauert es nur einen Tag, und sie verderben. Und diese abgeernteten Beete müssen dann gejätet werden. Damit kannst du anfangen. Zieh die Pflanzen nicht heraus, sondern nimm die Sichel und schneide sie knapp über dem Boden ab. Die Wurzeln werden wir einpflügen – sie sind ein guter Dünger für den Boden.« Er sprach leichthin und aufgeräumt, um den Jungen nicht zu verschrecken. »Wie alt bist du eigentlich,
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