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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Autoren: Ellis Peters
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»Laßt beide eintreten, und die Dame mag zuerst sprechen.«
    Courcelle führte sie an der Hand herein. Er zollte ihr ganz offensichtlich Hochachtung und Bewunderung, und tatsächlich war sie der Aufmerksamkeit eines jeden Mannes würdig. Sie war zierlich und schüchtern, sicher nicht älter als achtz ehn, und der Ernst ihrer Trauer und die weiße Haube mit dem Schleier, aus der einige blonde Locken hervorlugten und ihre Wangen umrahmten, ließen sie noch jünger und verletzlicher erscheinen. Sie strahlte eine zurückhaltende Würde und den Stolz eines Kindes aus. Bei der Begrüßung sah sie den König aus großen dunkelblauen Augen an.
    »Mein Fräulein«, sagte Stephen und reichte ihr die Hand, »Euer Verlust, von dem ich eben erst erfahren habe, betrübt mich.
    Verfügt über mich, wenn mein Schutz Euch in irgendeiner Weise dienlich sein kann.«
    »Ihr seid sehr freundlich, Euer Gnaden«, sagte das Mädchen mit leiser, ehrfüchtiger Stimme. »Ich bin jetzt eine Waise und die einzige meines Hauses, die Euch die Treue und Gefolgschaft, die wir Euch schulden, anbieten kann. Ich tue, was mein Vater gewollt hätte. Krankheit und Tod haben ihn daran gehindert und mein Kommen verzögert. Bis Ihr nach Shrewsbury kamt, hatten wir keine Gelegenheit, Euch die Schlüssel der beiden Burgen, die uns gehören, zu übergeben.
    Das will ich nun tun!«
    Ihre Zofe, eine ruhige junge Frau, die etwa zehn Jahre älter war als ihre Herrin, stand abseits. Sie trat nun vor und übergab die Schlüssel Aline, die sie feierlich in die Hände des Königs legte.
    »In unseren Diensten stehen fünf Ritter und mehr als vierzig Soldaten, die ich jetzt aber alle in unseren Burgen zurückgelassen habe, da sie dort für Euer Gnaden von größerem Nutzen sind.« Sie zählte ihre Besitzungen und die Namen ihrer Burgvögte auf. Es klang wie bei einem Kind, das ein Gedicht auswendig hersagt, aber sie sprach so würdevoll und ernst wie ein General auf dem Schlachtfeld. »Noch etwas, das mir schwer auf der Seele lastet, will ich offen sagen. Ich habe einen Bruder, der diese Pflicht hätte erfüllen sollen.« Ihre Stimme bebte leicht, aber sie fing sich wieder. »Als Ihr die Herrschaft übernahmt, schlug sich mein Bruder auf die Seite der Kaiserin Maud, und nach einem offenen Streit mit meinem Vater verließ er uns, um für sie zu kämpfen. Ich weiß nicht, wo er sich jetzt befindet, aber es gehen Gerüchte, daß er zu ihr nach Frankreich ist. Ich konnte Euer Gnaden diesen Streit nicht verschweigen, der mich so sehr belastet, wie er Euch betrüben muß. Ich hoffe, Ihr werdet darum nicht ausschlagen, was ich Euch bringe, sondern freien Gebrauch davon machen, wie es mein Vater gewollt hätte und wie ich es will.«
    Sie seufzte tief auf, als sei sie jetzt von einer schweren Last befreit. Der König war entzückt. Er zog sie an sich und küßte sie herzlich auf die Wange. Auf Courcelles Gesicht stand deutlich der Neid geschrieben.
    »Gott bewahre, mein Kind«, sagte der König. »Ich will keinen weiteren Kummer auf Eure Schultern laden, sondern Euch nach Kräften entlasten. Von ganzem Herzen nehme ich Eure Gefolgschaft an, und sie ist mir so lieb wie die eines Grafen oder Barons. Ich danke Euch für die Mühsalen, die Ihr auf Euch genommen habt, um mir zu helfen. Und nun sagt mir, was ich für Euch tun kann, denn dies Feldlager ist kein geeigneter Aufenthaltsort für Euch, und man hat mir gesagt, Ihr hättet noch keine Unterkunft gefunden. Bald wird es Abend sein.«
    »Ich hatte gedacht«, sagte sie zaghaft, »es wäre vielleicht möglich, im Gästehaus des Klosters zu wohnen, wenn uns ein Boot über den Fluß setzen könnte.«
    »Selbstverständlich sollt Ihr sicher über den Fluß gebracht werden, und ich werde den Abt bitten, Euch in einem der Gästehäuser des Klosters unterzubringen, wo Ihr ungestört und geschützt seid, bis wir eine Eskorte abkommandieren können, die Euch sicher nach Hause geleitet.« Er sah sich nach einem Boten um; Courcelles eifrige Bereitschaft war schwer zu übersehen. Der junge Mann hatte hellbraunes Haar und Augen von derselben Farbe, und er wußte, daß er bei seinem König in Gunsten stand. »Adam, wollt Ihr Euch um das Fräulein Siward kümmern und dafür sorgen, daß sie alles erhält, was sie braucht?«
    »Von Herzen gern, Euer Gnaden«, sagte Courcelle und reichte der Dame seine Hand.
    Hugh Beringar betrachtete das Mädchen, als es an ihm vorbeiging. Ihre Hand lag folgsam in der kräftigen, sonnengebräunten Hand des
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