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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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OGLEICH NACH SEINER Rückkehr begann Graf Gero, Freiwillige für den vom König befohlenen Feldzug anzuwerben. Mit Signalhörnern ausgerüstete Boten brachten seinen Aufruf in ganz Sachsen lautstark unter das Volk; denn anders als im Vorjahr bestand für ihn diesmal keine Notwendigkeit, sich bedeckt zu halten.
    Obschon das Unternehmen den Segen des Königs hatte und diese Männer beauftragt waren, mit Hinweisen auf die in den feindlichen Burgen angehäuften Schätze nicht zu geizen, erhoffte sich Gero von ihren Bemühungen nur einen bescheidenen Erfolg. Die Gerüchte über seinen Anteil am Tod der slawischen Fürsten und das Schicksal derer, die, nachdem sie seinen Versprechungen Glauben geschenkt hatten, elend zugrunde gegangen waren, dies alles mußte das Vertrauen in sein Kriegsglück zweifellos auf das Schwerste erschüttert haben. Zwar hatten die sächsischen Priester, einer bischöflichen Anordnung gehorchend, in den Kirchen verkündet, daß er für unschuldig befunden worden sei; doch argwöhnisch, wie die Menschen hierzulande nun einmal waren, würde das ihre Meinung über ihn wohl nicht von heute auf morgen verändern.
    Um so größer war sein Erstaunen, als sich – der Winter hatte noch nicht seine Krallen gezeigt – bereits zwei Wochen später herausstellte, daß die als Sammelorte dienenden Burgen die vielen Bewerber kaum zu fassen vermochten. Es kamen nicht nur geflüchtete Leibeigene und Geächtete, sondern auch überzählige Bauernsöhne, denen es auf dem väterlichen Hof zu eng war, und Grenzlandbewohner, die durch die Erhebung der Slawen ihr Heim eingebüßt hatten, und es wurden von Tag zu Tag mehr. Bald sah er sich daher gezwungen, die Bekämpfung der Aufständischen Christian und Thietmar zu überlassen, um sich fortan ausschließlich mit der Musterung der Ankömmlinge befassen zu können. Ihre große Zahl erlaubte es ihm nicht nur, unter ihnen eine strenge Auswahl zu treffen, sondern auch, einen Mißgriff jederzeit zu berichtigen; schickte er jemanden fort, war kurz darauf ein anderer zur Stelle.
    Vom einundzwanzigsten Dezember bis zum Stephanstag schneite es, und wie der König vorhergesagt hatte, gingen die Überfälle daraufhin merklich zurück. Die Angreifer hinterließen nun Spuren, und da der Schnee außerdem ihre Beweglichkeit verminderte, wuchs für sie die Gefahr, entdeckt und vernichtet zu werden.
    Im gleichen Maße, in dem ihre bisherige Taktik an Wirksamkeit zu verlieren begann, schien der Abwehrwillen der Grenzlandbewohner zuzunehmen. Die von den Grafen erlassenen Befehle wurden mit Eifer und Umsicht befolgt. Fast jeder Abschnitt des feindlichen Ufers stand unter Beobachtung; drohte ein Angriff, wurden die umliegenden Festungen und Ortschaften unverzüglich benachrichtigt. Viele Bauern beherbergten ihre obdachlos gewordenen Verwandten, so daß die kampffähigen Männer eines Dorfes den Eindringlingen zuweilen durchaus ebenbürtig waren. Gelang es, diese hinzuhalten, bis Hilfe eintraf, waren nicht selten die Slawen die Gejagten.
    Immer deutlicher zeigte sich, daß die Erhebung ihr Ziel nicht erreicht hatte. Das Grenzgebiet hatte dem Ansturm widerstanden, die Zukunft der Burgen war damit vorerst gesichert. Hinzu kam, daß die Front der Aufrührer offenbar nicht so fugenlos war, wie man zunächst befürchtet hatte. Meißen war von den Daleminzern nicht nur nicht belagert, sondern, wie Graf Gero Anfang Januar erfuhr, sogar vor Angriffen beschützt worden. Und einige sorbische Kleinstämme ließen ihm übermitteln, daß sie, sowie erst wieder Frieden sei, den rückständigen Zins unverzüglich nachzahlen würden.
    Unter den Meldungen, die den Grafen täglich erreichten, befanden sich immer häufiger auch Hinweise darauf, daß sich die Einbildungskraft des Volkes seiner bemächtigt hatte und ihn als einen Helden zu verehren begann. Anfangs traute er ihnen nicht, doch in den Gesprächen, die er mit den Angeworbenen führte, gewann er schon bald den Eindruck, daß es sich bei ihnen keineswegs um Übertreibungen handelte.
    Freilich waren die Bauern nicht geneigt, jenen zu glauben, die ihnen einzureden versuchten, daß der Graf, nachdem er den Plan seiner Gäste durchschaut hatte, diese lediglich habe gefangennehmen wollen. Sie glaubten nicht daran, weil sie für soviel Edelmut nur Verachtung übrig hatten und sich einen solchen Toren weder vorstellen konnten, noch, zumal als Grenzgrafen, vorstellen mochten.
    Ebensowenig glaubten sie, daß er die Fürsten mit dem Ziel eingeladen hatte, sie
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