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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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ERSTES KAPITEL
1
    E INE W OCHE NACH dem Allerheiligenfest des Jahres neunhundertachtundzwanzig verließ König Heinrich die Pfalz Quedlinburg. In seiner Begleitung befanden sich sein Sohn Otto, Graf Siegfried, der Schwager, sowie der Halberstädter Bischof Bernhard, außer ihnen ein knappes Hundert Dienstleute und Knechte. Da die Wagen schon Tage vorher aufgebrochen waren, führte man nur Packpferde mit.
    Ursprünglich hatten sie in Biere übernachten wollen, um tags darauf nach Magdeburg weiterzureisen, das als Sammelort für die Aufgebote bestimmt worden war. Doch dann gab es eine Verzögerung. In einem Wald nahe der Bode stießen sie auf eine Schar Bauern, die sich offenkundig anschickte, unter einer riesigen Eiche irgendein heidnisches Spektakel zu vollziehen. Heinrich machte Bernhard ein Zeichen, die Leute nicht zu beachten, aber diese hatten sie bereits entdeckt, stürmten schreiend heran und umringten sie. Eine Frau reckte ihnen ein Bündel entgegen. Als sie es aufschlug, prallte der sechzehnjährige Otto, der gerade abgesessen war, zurück. In dem Tuch lag ein Säugling, dem ein Ohr, mehrere Finger sowie am linken Fuß alle Zehen fehlten.
    Der Bischof war ebenfalls vom Pferd gestiegen. Steifbeinig trat er näher, warf einen Blick auf die Mißgeburt und betupfte sich die Lippen; dann kniete er nieder und begann zu beten: »Pater noster, qui es in coelis, sanctificetur nomen tuum …«
    Als er das Vaterunser beendet hatte, stand er schroff auf, fragte die Menschen, was die mit dem Kind im Wald wollten. Abermals Geschrei. Ein Mann drängte nach vorn, verschaffte sich Ruhe und erklärte: Da der Säugling sicherlich bald sterben werde, habe man ihn unverzüglich taufen lassen wollen und sich dazu auf den Weg in die nächste Kirche begeben. Unter der Eiche hätten sie lediglich gerastet, Zauberei natürlich nicht im Sinn gehabt. Die Leute nickten eifrig.
    Gelangweilt schaute Bernhard über ihre Köpfe hinweg. Sehr wahrscheinlich, daß sie wirklich einen Geistlichen gesucht hatten, dann aber, als sie an dem Baum vorbeigekommen waren, diese Absicht aufgegeben hatten. Das konnte man vielleicht herauskriegen, doch nachdem der Bischof das Kind gesehen hatte, verspürte der dazu keinerlei Neigung mehr. In Anbetracht der Umstände mochte es genügen, daß das Vorhaben verhindert und ihnen Angst eingejagt worden war.
    »Also schön, guter Freund«, ließ sich Heinrich von seinem Pferd herunter vernehmen, »für heute glauben wir euch. Aber laßt euch nicht ein zweites Mal erwischen. Die Eichen hat Gott geschaffen, damit eure Schweine dick und rund werden, zu nichts anderem. Merkt euch das.«
    Der junge Otto wurde von einem Lachen geschüttelt, worauf Graf Siegfried eine grimmige Miene aufsetzte, wohl, damit die Bauern nicht auf den Gedanken kamen, in das Lachen einzustimmen. Diese nickten jedoch bloß wieder. Nur ihr Sprecher, der anscheinend sofort begriffen hatte, daß der König der Sache ein Ende machen wollte, rief: »Aber Herr Bischof! Kommst du nicht mit uns? Das arme Wurm kann doch jeden Augenblick sein Leben aushauchen.«
    Bernhard schien es, daß der Mann ihn verhöhne, dennoch mußte er natürlich mit. Am Nachmittag erreichten sie das Dorf – vierzehn Gehöfte, die einer fränkischen Abtei zinspflichtig waren. Er vollzog die Taufe, benedizierte die Wöchnerin und das Haus, in dem das Kind geboren worden war, und riß kurzerhand einigen Bauern verdächtige Amulette ab, die sie ihn unbefangen sehen ließen. Dann brach es über ihn herein. Nicht nur für sich erbaten die Leute seinen Segen, sondern auch für ihre Brunnen, Gärten, Speicher, Geräte und Hunde. Einer schleppte sogar einen Tonkrug an, den er auf seinem Acker gefunden hatte und nicht zu benutzen wagte, bevor ihn ein Segenswort gereinigt hatte.
    Geduldig kam der Bischof ihren Wünschen nach. Als er sich wieder auf den Heimweg machte, fing es an zu dämmern. Bereits von weitem hörte er Axthiebe, nahm den Geruch von Rauch wahr. Man würde also im Wald übernachten. Auf einem Kahlschlag neben der Eiche qualmten mehrere Feuer, in Form eines Hufeisens geordnet, dessen Öffnung zur Windrichtung zeigte. Zwischen ihnen das Gerippe einer Hütte, das Knechte gerade mit Zweigen abdeckten. Otto stocherte in einem der Feuer herum; sowie er den Bischof sah, ging er ihm entgegen und sagte: »Schön, daß du so spät kommst. Ich wollte im Freien schlafen, aber er erlaubt es nicht. Hast du sie beglückt?«
    Er sprach hastig und monoton, schaute an dem anderen
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