Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
Vom Netzwerk:
eine Bewegung und lachte anschließend über seinen Versuch, den Todeskampf nachzuahmen. »Lange dauert es jedenfalls nicht mehr.«
    »Da hörst du es.« Der Graf nickte Herpo vorwurfsvoll zu. »Das wird dich teuer zu stehen kommen.«
    Er ging ein paar Schritte zurück, hin zu Bernhard, der das Beladen seiner Packpferde beobachtete und zuweilen mit bedrückter Miene auf den Mißhandelten geschaut hatte.
    »Es ist einer von deinen Leuten. Ich werde ihm dreißig verabreichen lassen. Was meinst du?«
    Der Bischof hob die Hände. »Das geht mich nichts an«, sagte er hastig und drehte sich weg.
    »Nun ja«, Siegfried lächelte schwach, »zwanzig sind auch genug. Er kommt sonst nicht mehr hoch.«
    »Was ist genug?« fragte es plötzlich neben ihm, er wandte sich um und erblickte den König sowie dessen Sohn, die in diesem Moment hinter ihrer Hütte hervortraten.
    »Es geht um den Mann, der –«
    »Ja, ich weiß. Und was hast du mit ihm vor?«
    Siegfried zögerte. »Ich dachte an vierzig mit dem Stock«, sagte er dann in demselben Tonfall, in dem er zu Bernhard von zwanzig Schlägen gesprochen hatte. »Das scheint mir ausreichend, denn wie du siehst, haben ihn die Wachen bereits verdroschen.«
    Heinrich runzelte die Stirn. »Zwanzig, dreißig, vierzig – was soll das?« sagte er gedämpft. »Noch sind wir nicht auf der anderen Seite, noch haben die Strapazen nicht angefangen, aber diese Strolche gehen sich schon an die Kehle. Für den einen, den du jetzt schonst, werden vielleicht bald Dutzende mit ihrem Leben bezahlen müssen. Hast du das bedacht?«
    In Siegfrieds ehrerbietigem Gesicht rührte sich nichts. Obwohl er verstanden hatte, was der König von ihm verlangte, verstand er doch nicht, warum. Daß sich eine Tat wie diese während des Feldzuges nicht wiederholte, dafür sorgte erfahrungsgemäß die Angst vor dem Feind. Der Mann hatte gefehlt, ein Mörder aber war er nicht. Weshalb sollte er trotzdem sterben? Im Frieden begnügte sich das Recht bei einem Totschlag unter Freien mit dem Vergleich; im Krieg, der diese Form der Sühne zwangsläufig aufschob, war eine zusätzliche Strafe in das Ermessen des Heerführers gestellt. Schlimmstenfalls pflegte man den Betreffenden zu prügeln, häufig wurde er auch nur zum Wachestehen außerhalb der Reihe oder zu anderen unbeliebten Tätigkeiten verurteilt; das Wergeld mußten er oder seine Angehörigen später natürlich auch noch zahlen. Der Gedanke, diesen Bauern hinzurichten, war dem Grafen daher so ungewohnt, daß er sich nicht sofort zu einer zustimmenden Entgegnung entschließen konnte. »Du hältst es also für erforderlich, ihn …« Er stockte und blickte dabei zum Bischof, um zu kontrollieren, ob dieser wahrnahm, daß er sich bis zuletzt bemühte, Schaden von ihm abzuwenden.
    »Ja«, sagte Heinrich knapp.
    Siegfried nickte, erst langsam, dann rascher, und fragte: »Soll ich es hier tun? Oder in Magdeburg, wenn alle beisammen sind? Doch wozu warten«, antwortete er sich selber, »das spricht sich dann schon herum.«
    »Richtig, Schwager«, pflichtete ihm der König bei. »Erledige es, bevor wir aufbrechen. Und noch etwas: Mache kein Geheimnis daraus, aber auch keine Vorstellung. Wer will, darf zugucken, wer nicht will, läßt es bleiben. Das Kriegsrecht braucht keine Zuschauer, doch es versteckt sich auch nicht. Es kümmert sich nur um sich. Das ist sehr wichtig, verstehst du?«
    Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um, als er bemerkte, daß ihm sein Sohn nicht folgte. Dieser hatte sich hingehockt und stocherte, selbstvergessen wie ein Kind, mit einem Stöckchen in der Erde herum. Nachdenklich sah Heinrich auf ihn herab. Plötzlich preßte er die Lippen zusammen, machte kehrt und ging.
    Der Graf schaute ihm hinterher. »Dieser Mann ist verteufelt schlau«, sagte er versonnen. »Nichts überläßt er dem Zufall.«
    »Gewiß«, entgegnete Bernhard steif. Mit einem Blick auf den jungen Otto setzte er hinzu: »Erkläre mir indes trotzdem, inwieweit es von Schläue zeugt, jemanden zum Krüppel zu schlagen, der uns noch gute Dienste leisten könnte. Sogar ich weiß, daß ein Mensch schwerlich mehr als fünfzig Hiebe übersteht.«
    Siegfried wiegte den Kopf. »Nicht unbedingt. Letztlich entscheidet darüber das Geschick desjenigen, der schlägt. Doch was hat das mit unserem Fall zu tun? Dieser Bauer wird ja nun gehenkt.«
    »Gehenkt?« wiederholte Bernhard ungläubig.
    »Natürlich, mein Freund.«
    »Was redest du da? Du mußt dich irren.«
    Siegfried
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher