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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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zu ermorden, denn das hätte sie ja genötigt, für die Empörung der Slawen Verständnis aufzubringen.
    Menschen aber, denen die Vorsehung ohnehin Lasten genug aufgebürdet hat, können sich keine Empfindungen leisten, die sie zusätzlich beschweren. Daher glaubten sie, wie stets so auch hier, das, was sie glauben mußten, um sich ihre Hoffnung zu bewahren; daß nämlich der Graf die Fürsten zur Strafe für ihre heimtückischen Absichten getötet hatte. Nicht versehentlich also, sondern mit Vorsatz, nicht widerstrebend, sondern mit Genuß an der Rache: Ein Mann, in dem sich Tatkraft mit List paarte und der seinen Vorteil so zu nutzen wußte, daß man ihm hinterher nicht am Zeug flicken konnte. Und weil er so gar nicht dem Bild entsprach, daß die fahrenden Sänger von einem Helden zu zeichnen pflegten, wurde es den Bauern rasch zur Gewißheit, daß er nur deshalb in einer solch unscheinbaren Gestalt auf die Welt gekommen war, um seine Feinde leichter täuschen und verderben zu können. Die Überzeugung, daß alles an ihm außergewöhnlich war und selbst seine vermeintlichen Schwächen einem besonderen Zweck dienten, eben dies war es, was die Leute bewog, in Scharen zu ihm zu strömen. Die Nachbarn wollten ihn übers Ohr hauen, sagten sie schmunzelnd zueinander, aber er, dürr und schmächtig, wie ihn Gott erschaffen hat, ist schlauer als wir und sie zusammen!
    Als Graf Gero erkannte, auf welch mächtigen Verbündeten er zählen durfte, wuchs seine Zuversicht, und seine Gedanken eilten in die Zukunft, zu jenem Tag im Mai, an dem er neben dem König durch das Tor der Brandenburg schreiten würde. Doch noch war es Winter und so kalt, daß kleinere Gewässer bis auf den Grund gefroren. Fast lautlos strich der Ostwind über das Land, duckte verdorrte Halme und trieb Schneestaub vor sich her, der das Eis auf den Seen und Flüssen schliff, bis es spiegelblank war. Unbarmherzig funkelnd, so, als sei sie es, die all die Kälte ausströmte, stand die Sonne am Himmel. In den Wäldern war es totenstill. Geschah es einmal, daß sich ein Baum seiner weißen Last entledigte, gab es ein Geräusch, das Mensch und Tier zusammenzucken ließ.
    Obgleich es schien, daß nichts dieser gleißenden Starre etwas anhaben könne, fühlten die Bauern diesseits und jenseits der Grenze, daß der Winter seinen Höhepunkt überschritten hatte. Und wie in jedem Jahr um diese Zeit beobachteten sie hier wie dort aufmerksam das Anschwellen der Blattknospen, jenes erste Anzeichen seines nahenden Endes. Hier wie dort sehnten sie den Frühling herbei, um ihn jedoch zugleich auch zu fürchten: wohl wissend, daß diesmal nicht nur die Natur, sondern ebenso der Krieg zu neuem Leben erwachen würde.
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