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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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mit einer schwerfälligen Gebärde über den Bart. Kein Zweifel, auch er dachte nach.
    Werner hatte unterdessen den Raum verlassen. Mit einem Bündel frischer Fackeln kehrte er zurück, tauschte sie gegen die niedergebrannten aus und tauchte diese nacheinander in die Eimer. Für geraume Zeit war nichts als das Zischen der erlöschenden Fackeln zu hören.
    »Bei allen Teufeln!« stieß plötzlich Wichmann hervor. »Wie lange sollen wir hier wohl noch so stehen und Löcher in die Luft stieren? Kannst du mir das verraten, Gero? Einmal möchte ich dich am liebsten erwürgen, dann wieder dauerst du mich, und so geht das unablässig hin und her. Du aber tust, als beträfe dich das alles nicht. Sag endlich etwas! Hilf uns! Wie sollen wir sonst eine Entscheidung fällen können?«
    Er ballte die Fäuste und sprach, sie an die Brust pressend, weiter: »Wenn du dir aber zu fein dazu bist oder wenn dir dein Schicksal gleichgültig ist, so habe wenigstens Erbarmen mit uns. Du siehst, wie es uns peinigt, daß wir dich weder freisprechen noch verurteilen können. Erspare uns diese Qualen und gehe außer Landes, so lange, bis Gras über diese Angelegenheit gewachsen ist oder sich jemand gefunden hat, der deine Unschuld zu bezeugen vermag. Das sage ich dir als ein Mann, der an deiner Stelle keinen Augenblick zögern würde, so zu handeln.«
    Als Wichmann geendet hatte, begann Poppo eifrig zu nicken. Auf einmal hielt er inne, sah erschrocken zum König und hierauf, als wollte er seine voreilige Geste ungeschehen machen, wie versteinert geradeaus. Auch Bernhard hatte, obzwar längst nicht so heftig, Zustimmung bekundet; nach einem Blick zu Otto verwandelte er sein Nicken unmerklich in ein zweifelndes Wiegen des Kopfes.
    »Glaube mir, Wichmann«, erwiderte Gero schmerzlich lächelnd, »seitdem ich begriffen habe, daß meine Lage hoffnungslos ist, erwäge ich unaufhörlich, dem König eben dies vorzuschlagen. Und indem ich es erwäge, wird mir zugleich bewußt, daß dies der einzige Dienst ist, den ich ihm nicht leisten darf. Ein Unschuldiger, würde man nämlich folgern, hätte für seinen Ruf gekämpft; wenn er weicht, muß er also schuldig sein. Und so würde ich mich durch das Opfer, das ich bringe, in den Augen der Welt verurteilen. Dies aber kann niemand von mir fordern. Wir opfern für den König unser Leben, nicht jedoch unsere Ehre. Denn sie ist unveräußerlich.«
    Er verstummte.
    »Im übrigen hast du natürlich recht, Wichmann«, sprach er nach einer kurzen Pause weiter. »Auf diese Weise kommen wir nicht voran, selbst, wenn wir hier noch Tage ausharren und uns die Köpfe zermartern. Ich sehe daher nur einen Ausweg: so zu tun, als ob diese Verhandlung niemals stattgefunden hätte, und mich unverzüglich gegen den Feind zu schicken. Solltest du, Herr König, dich dazu entschließen, versichere ich dir, daß sich bald niemand mehr über den Grafen Gero den Mund zerreißen wird.«
    Schweigen breitete sich aus. Wichmann schaute zu Boden, Poppo, von einem Fuß auf den anderen tretend, zur Decke empor. Der Bischof hüstelte mißbilligend.
    »Anscheinend glaubst du, daß ich um meine Ehre minder besorgt bin als du um die deine, Graf Gero«, sagte Otto in die Stille hinein. »Er schafft sich den Mann vom Hals, um desto ungestörter aus dessen Verbrechen Vorteile ziehen zu können, würde es danach heißen. Oder zweifelt jemand daran? Nein, dies ist keine Lösung, die eines christlichen Herrschers würdig wäre.«
    »Keine Beweise?« ließ sich auf einmal Werner vernehmen. »Gewiß, die gibt es nicht; doch vielleicht etwas, das ebensogut ist … Oh, verzeih, Herr König«, unterbrach er sich. »Ich vergaß, daß meine Arbeit mit der Befragung des Grafen beendet ist, und ich gar nicht befugt bin, in diesem Kreis meine Meinung kundzutun.«
    »Ach was! Du siehst ja, wie wir uns plagen. Ich bin sicher, daß es dir keiner von uns verargt, wenn es dir gelingen sollte, das Gestrüpp, in dem wir uns verfangen haben, ein wenig zu lichten. Sprich also, mein Freund!«
    Werner verneigte sich ehrerbietig und sagte: »Nun, ich denke so: Der Mann, der sich retten konnte, Fürst Ratibor also, war mit unseren Bräuchen bestens vertraut. Nicht allein, weil er des öfteren als Gesandter bei uns weilte, sondern auch, weil er, wie ich meine, über einen außergewöhnlichen Scharfsinn verfügt. Oder irre ich mich darin?« fragte er, wobei das längliche gelbe Gesicht in ein Geflecht zahlloser Fältchen zerfiel.
    »Nein«, entgegnete Otto zögernd. »Dies
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