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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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kommt der Wahrheit recht nahe. In der Tat, er entspricht so gar nicht dem Bild, das sich unser Hochmut von einem Barbaren zu machen pflegt. Er ist ein kluger Kopf und hat sich, obschon noch jung an Jahren, bereits in vielen Wissenschaften umgetan. Mancher Christ könnte von ihm lernen.«
    »Es ist, wie ihr, edle Herren, wißt, keinerlei Übertreibung oder Schmeichelei dabei«, fuhr Werner, sich abermals verbeugend, fort, »wenn ich behaupte, daß die Redlichkeit unseres Gebieters nirgendwo umstritten ist. Sogar seine verbissensten Feinde bezichtigen ihn bislang nicht der Heimtücke oder Falschheit, was bei den Feinden, die er hat, einiges besagen will. Zudem wurde in Sachsen noch niemals einem Gesandten ein Haar gekrümmt, selbst denen der Ungarn nicht, als der Krieg gegen diese längst beschlossen war und uns daran lag, sie herauszufordern. Unterstellen wir einmal, die Slawen seien auf Befehl Geros ermordet worden, so kann Fürst Ratibor doch schwerlich annehmen, der Graf habe dies im Auftrag oder auch nur mit stillschweigender Billigung des Königs getan. Er hätte sich demzufolge nach seiner Flucht an den König wenden und den Grafen verklagen können; an der Zeit dazu hätte es nicht gefehlt. Das Mindeste, das er erreicht hätte, wäre ein Zweikampf gewesen. Ist es nicht so, Herr König?«
    »Zweifellos«, antwortete Otto schulterzuckend. »Da Aussage gegen Aussage gestanden hätte, wäre uns nur geblieben, die Wahrheit mittels eines Zweikampfes zu erforschen. Aber sag, was haben die Fragen zu bedeuten? Weshalb bin ich es plötzlich, der verhört wird?«
    Werner hob die Hände. »So hab doch noch ein wenig Geduld, Herr König«, sagte er mit einem kleinen Lachen. »Du hast mich zu diesen Ausführungen ermutigt; jetzt erlaube mir auch, sie auf meine Art zu Ende zu bringen.«
    Nachdem er sich, zu Otto schauend, vergewissert hatte, daß ihm dieser die scherzhafte Zurechtweisung nicht verübelte, sprach er weiter: »Halten wir also fest: Fürst Ratibor, ein, wie wir soeben vernahmen, kenntnisreicher Mann, traf des öfteren mit unserem Gebieter zusammen, wobei er sich, das dürfte ihm kaum entgangen sein, dessen Wertschätzung erwarb. Außerdem müßte er bei seinen Aufenthalten in unserem Land bemerkt haben, was alle Welt weiß: daß uns Sachsen das Gastrecht nicht minder heilig ist als den Slawen oder Dänen. Dennoch, trotz dieser unstreitig günstigen Voraussetzungen, versuchten er und die betroffenen Sippen nicht ein einziges Mal, für das ihnen angetane Unrecht Genugtuung zu erhalten. Warum nicht? Weshalb klagten sie Graf Gero vor dem König nicht des Mordes an – und sei es lediglich, um den Schein zu wahren –, sondern schlossen sich unverzüglich zum Aufruhr zusammen, eine Möglichkeit, die ihnen, wäre ihre Klage abgewiesen worden, immer noch geblieben wäre?«
    Er hielt inne, und nachdem er jedem der Anwesenden fest in die Augen geblickt hatte, fuhr er fort: »Ich habe dafür keine andere Erklärung als diese: Sie scheuten sich, die Wahrheit einer solchen Behauptung im Kampf zu erhärten, weil diese Behauptung falsch ist und sie deswegen darauf gefaßt sein mußten, zu unterliegen. Wäre aber der Zweikampf von ihnen verloren worden, hätten sich mit Sicherheit kaum so viele der Ihren an dem geplanten Aufstand beteiligt. Um dieser Gefahr vorzubeugen, verzichteten sie auf eine Klage, weswegen wir hier einen Mann vor uns haben, den ausgerechnet jene, die er geschädigt haben soll, nicht anzuklagen wagen. Noch seltsamer ist vielleicht«, schloß er mit gesenkter Stimme, »daß statt dessen wir die Geschäfte der Aufrührer besorgen.«
    Völlige Stille trat ein. Die Gesichter der drei Männer neben dem König wirkten wie versteinert. Nicht einmal ihre Atemzüge waren zu hören.
    »Wir besorgten die Geschäfte von Aufrührern?« sagte Otto stirnrunzelnd. »Das geht gegen mich, wie? Reichlich keck bist du, Freundchen! Aber dein Vorwurf trifft mich nicht. Ich besorge nur die Geschäfte des Reiches und keine anderen, schon gar nicht die von Aufrührern. Behaupte derlei nicht noch ein zweites Mal, sonst könnte es sein, daß ich dir die Zunge stutzen lasse. Der Schild des Königs muß unter allen Umständen rein bleiben, was ihn dazu nötigt, an jene, die ihm dienen, besondere Ansprüche zu stellen. Wem das lästig ist, der sollte die Nähe des Thrones meiden.«
    Er räusperte sich.
    »Was deine sonstigen Schlußfolgerungen betrifft, so muß ich freilich zugeben … Doch nein! Sprecht ihr zuerst, ihr Herren. Wer
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