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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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glaubwürdig deine Schuld bezeugen könnte, wäre ich gezwungen, dich mit aller Härte zu bestrafen. Und deshalb wisse, Graf Gero: Retten kann dich auf Dauer nur der Erfolg. Erst wenn dein Ruhm so hell erstrahlt, daß sein Glanz auch die irdische Gerichtsbarkeit blendet, erst dann darfst du dich sicher fühlen. Bis dahin wird der Lohn deines Wirkens lediglich das nackte Leben sein. Rasch und leicht wolltest du zu Ehren kommen, nun wirst du dich auf Jahre hinaus wie ein Sklave mühen müssen. Bist du dir dessen bewußt?«
    »Ja, Herr König«, erwiderte Gero, von der unerwarteten Wendung, die das Gespräch genommen hatte, wie betäubt.
    Otto betrachtete ihn sinnend. »Ich sollte dich verabscheuen«, äußerte er nach einer Weile, »allein, ich vermag es nicht. Vielleicht –« Er verstummte jäh.
    »Doch nicht bloß, um dir dies zu sagen, rief ich dich zurück«, redete er nach einer Pause weiter. »Werner berichtete mir, auf welche Weise du der Slawen Herr zu werden gedachtest. Das schlage dir jedoch aus dem Kopf, denn ein Krieg, wie du ihn führen willst, würde sich allzulange hinziehen. Hinzu kommt, daß du, da ich auf eine Empörung meiner inneren Feinde gefaßt sein muß, von mir keinerlei Unterstützung zu erwarten hast. Kämpfte ich jenseits der Grenzen, würde ich sie geradezu ermutigen, einen Aufstand zu wagen. Du wirst also ganz auf dich gestellt sein. Darum befehle ich dir, dich vorläufig auf die Abwehr der Angriffe zu beschränken; ohnehin werden diese, sobald der erste Schnee gefallen ist, beträchtlich nachlassen. In der Zeit, die du dadurch gewinnst, sammle deine Kräfte. Wirb so viele Leute an, wie du nur kannst, und belagere mit ihnen noch vor dem Einsetzen der Schneeschmelze die Brandenburg. Denn was immer sich alles geändert haben mag, eines gilt nach wie vor: Diese Festung ist für uns der Schlüssel zum Slawenland. Ich will sie bis zum Mai. Hast du mich verstanden?«
    »Jawohl, Herr König.«
    »So gehe jetzt.«
    Auf dem Hof erwarteten den Grafen, von Knechten mit Fackeln umringt, an die zwei Dutzend Berittene. Nicht ohne Genugtuung vermerkte er, daß seine Begleitung diesmal doppelt so umfangreich war wie am Tag seiner Festnahme. In ihrer Mitte sah er den schmalnasigen Jüngling, der ihn nach Quedlinburg gebracht hatte und der sich nun, sowie er ihn erblickte, vor ihm im Sattel verneigte.
    Einige Schritte abseits von dieser Gruppe stand Werner, in seiner Linken den Zügel der Stute, in der Rechten den eines zweiten Pferdes, auf dessen Rücken sich ein längliches Bündel befand. Gero ging auf ihn zu. Er hatte schon den Mund geöffnet, um sich von Werner zu verabschieden, als ihm dieser mit einer Handbewegung bedeutete, daß er als erster sprechen wolle. Auf das Packpferd zeigend, sagte er: »Das, was ich dir nun übergeben werde, erheischt eine Erklärung. Der Verdacht, der auf dir ruhte, war so schwerwiegend, daß wir uns nicht mit freiwilligen Geständnissen begnügen durften, sondern etliche deiner Leute gründlicher befragen mußten. Jener Mann dort hatte die Hauptlast der Untersuchung zu tragen. Unglücklicherweise überlebte er sie nicht.«
    »Was für ein Mann? Wovon sprichst du?«
    »Es ist der Wunsch des Königs, daß ihm ein würdiges Begräbnis zuteil wird«, fuhr Werner fort. »Ferner entschied unser Gebieter, dir den erlittenen Verlust zu ersetzen. Der Mann starb gleichsam im Dienst des Königs; entsprechend hoch ist die Entschädigung, die du bekommst. Du findest sie in der Satteltasche.«
    Er winkte einen Knecht heran und befahl ihm, dem Grafen seine Fackel zu überlassen.
    Gero ergriff sie, trat an das Pferd heran und löste die Riemen, die das Bündel zusammenhielten. Als er das Tuch auseinanderschlug, erblickte er die Leiche eines alten Mannes. Bart und Kopfhaar waren fast weiß, die Stirn und die eingefallenen Wangen durchschnitten tiefe Falten. Betroffen starrte er in das von maßlosen Entbehrungen gezeichnete Antlitz. Wer mochte das sein? Ein Greis, der nach langem Siechtum gestorben war? Oder ein Eremit, der sich zu Tode gehungert hatte? Er zuckte die Schultern und wandte sich um.
    »Du mußt dich irren. Das ist keiner meiner Leute.«
    Wortlos nahm ihm Werner die Fackel aus der Hand und hielt sie an das Gesicht des Alten, so dicht, daß einige seiner Barthaare knisternd verbrannten. Eine spöttische Bemerkung auf den Lippen, beugte sich Gero vor. Im selben Moment prallte er zurück. Der Tote, daran bestand kein Zweifel, war einmal sein Gefolgsmann Otfried gewesen.

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