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Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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Prolog
    Er erwachte in der Dunkelheit, die Glieder verheddert im leinenen Bettzeug, und griff mit den Händen ins Leere. Er war schweißgebadet.
    Er schmeckte sie immer noch. Er hatte den Duft von Lotusblüten in der Nase, einen verführerischen Kitzel. Er sehnte sich nach ihr – oh Gott, welche Sehnsucht er hatte. Von der Intensität unbefriedigten Verlangens wurde ihm beinahe übel.
    Stöhnend drehte er sich auf die Seite und rollte sich zu einer Kugel zusammen, allein in seinem Zimmer mit dem blinzelnden Raben, der auf einer Messingstange neben dem Fenster hockte. Ein Windstoß ließ die Fensterläden klappern, und vom Big Ben schlug es drei Uhr. Männerstimmen drangen an sein Ohr, betrunkene Soldaten auf den St. Katharine’s Docks warfen einander Flüche zu. Leiser Glockenklang kam von den Barkassen, die auf der nahen Themse vor Anker lagen.
    Der Vogel bewegte sich und raschelte mit den Flügeln.
    Hin- und hergerissen zwischen Qual und Scham schlug der Mann die Laken zurück und stieg aus dem Bett. Er riss die Tür auf und ging durch den dunklen Flur, ließ die Hände über den uralten Stein streichen.
    Die Treppe.
    Ein Absatz.
    Zwei.
    Seine Schläfen pochten fiebrig. Er schloss die Augen und beschwor seine innere Macht, sich zu verwandeln, zu einem Schatten zu werden. Eine andere Art Hitze verzehrte ihn, eine, die seine Knochen, seine Muskeln und sein Fleisch von der Mitte des Solarplexus aus versengte. Unbemerkt schlüpfte er an den beiden Brüdern vorbei, die den Nachtdienst zugeteilt bekommen hatten.
    Ein großer Messingkäfig hing noch höher unter dem Deckengewölbe als der große, runde Kronleuchter, der den Raum mit behaglichem Licht erfüllte. Im Käfig hockten sechs der sieben Raben des Towers – alle bis auf seinen, der in seinem Zimmer unten blieb.
    Tres, still und ernst, saß an einem langen Schreibtisch, mit blassem Gesicht konzentriert über einen ledergebundenen Band gebeugt, in den er die Ereignisse und Meldungen des Tages eintrug. Shrew, sein jüngerer Bruder, hockte am Feuer und summte ein Lied. Mit angespannten Muskeln riss er an einem Stück Kette, und ein schmales Messinggehäuse kam aus den Flammen und klirrte auf den Steinboden. Darin würde sich ein Stapel versiegelter Umschläge befinden, unversehrt von der sengenden Hitze – die Verlautbarungen der Nacht vom Rat der Ahnen und anderen innerhalb des geschützten Inneren Reichs der Unsterblichen. Dieses reine, luftige Paradies existierte als eine alternative Dimension über demselben Land und Raum wie die sterbliche Welt.
    Als Teil ihrer nächtlichen Pflichten wachten die beiden Rabenkrieger außerdem über …
    Türen aus dicken Holzbrettern, die von vernieteten Eisenbändern zusammengehalten wurden und daran in massiven Angeln hingen, standen offen und gewährten ihm Zutritt zu dem dunklen Turmzimmer.
    Über
sie
.
    Ein Windstoß drang durch die Fensterläden, strich erregend über seine Haut und bauschte die purpurnen Vorhänge. Eine vergoldete Statue von Hekate hing über dem Bett, so geschnitzt, als breche die Göttin durch die Wand. Schön, barbusig und mit ausgebreiteten Armen hielt sie in jeder Hand eine Laterne in Form einer flammenden Fackel.
    Aber er war ein Schattenwächter, ausgestattet mit der Fähigkeit, durch unergründliche Dunkelheit zu sehen. Er brauchte ihr Licht nicht, um die Frau darunter zu erkennen.
    In dieser Nacht wie in jeder vergangenen ergoss sich ihr dunkles Haar in einer glänzenden Flut über die helle Bettwäsche. Wimpern so schwarz und seidig wie Rabenflügel lagen auf ihren Wangenknochen, verbargen die dunklen Augen, die seine Träume peinigten. Auf ihrer Haut, die golden getönt statt alabastern war, schimmerte ein Abglanz von Lebhaftigkeit und Gesundheit. Mit jedem Atemzug hoben und senkten sich ihre Brüste, die kunstvolle Spitze ihrer Wäsche schwach sichtbar unter dem feinen Batistgewand, das sie trug. Ein Granat von der Größe eines ägyptischen Skarabäus schimmerte an ihrem Finger. Ein schmaler Goldreif in der Form einer Schlange zierte ihr Handgelenk.
    Darauf bedacht, ihre Haut nicht zu berühren, nicht eine einzige Strähne ihres Haars, presste er die Fäuste zu beiden Seiten ihres Gesichts auf die Matratze. Er beugte sich vor, bis seine Nase direkt neben ihrer war, sodass sich ihre Lippen beinahe berührten.
    Einen Moment später, wieder verwandelt in Schatten, entfloh er dem Weißen Turm durch das Fenster und sank auf die kühle Oberfläche von Kalkstein hinunter. Sobald er auf der Postern
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