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Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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ihn das Natürliche in solchen Menschenansammlungen war:
aoratos
, ein Schatten.
    Stattdessen stand er in einem grauen Morgenfrack, Halstuch, Hose und Zylinder auf den Stufen eines Palasts, in voller Größe sichtbar für jeden, der ihn sehen wollte. Auffällig. Entblößt. Verletzbar. Er steckte einen Finger zwischen Kragen und Kehle und zerrte am Stoff, um sich mehr Luft zu verschaffen.
    Erst da bemerkte er die drei jungen Frauen, die zu seiner Linken unter einem grünen Baldachin aus belaubten Ästen standen und ihn und Lord Black mit rosigen Wangen und raubtierhaftem Interesse musterten.
    »Nein, nicht mich«, sagte Black. »Ich glaube, sie sehen
Sie
an.«
    Die Debütantinnen trugen Hüte, die reichlich mit Tüllnetzen und Wachsblumen garniert waren, und Sommerkleider, die aus Schichten um Schichten von Seide, Spitze und gefältelten Rüschen bestanden. Rourke musste zugeben, dass Black recht hatte: Ihre nicht so unschuldigen Gedanken – die er nicht umhinkonnte, mit perfekter Klarheit wahrzunehmen – konzentrierten sich auf sein kantiges Kinn, den muskulösen Hals und die maskuline Gestalt –
ganz besonders
auf seine Oberschenkel und seine Schultern. Verflucht, und sein …
    Archer beugte sich etwas vor, und seine Lippen kräuselten sich in einem erheiterten Lächeln. »Was denken Sie, wo sie
dieses
Wort gelernt hat?«
    Rourke schaute die Frauen direkt an. Sein Missvergnügen darüber, so zudringlich beäugt zu werden, verstärkte sich, und eine sengende Hitze drängte sich wie eine dunkle Welle aus seiner Seele hinaus durch seine Augen.
    Sie erbleichten. Das Mädchen in Blau ließ seinen Schirm fallen, hob ihn rasch wieder auf und beeilte sich, zu den anderen aufzuschließen, die ziemlich schnell davonspazierten, in die den Gärten entgegengesetzte Richtung. Sie würden nichts Ungewöhnliches an ihm bemerkt haben. Keine unmenschlich glühenden Augen oder etwas Übernatürliches. Stattdessen würden sie den unerklärlichen Verdacht haben, dass ihre dunkelsten, privatesten Gedanken entdeckt worden waren.
    »Ein Mann nach meinem Herzen.«
    »Genug davon«, sagte Rourke. »Wo ist sie?«
    Seine Frage ging ins Leere. Er stand allein auf den Stufen. Er brauchte sich nicht umzuschauen, um die Reaktion der Leute um ihn herum auf das rätselhafte Verschwinden eines Mannes aus ihrer Mitte abzuschätzen. Niemand hätte je den Wechsel des Uralten zu einem anderen Ort bemerkt. Stattdessen würde ihr Verstand sein Verschwinden auf eine flüchtige Unaufmerksamkeit oder ein geistesabwesendes Blinzeln zurückführen.
    Er richtete den Blick auf den dicht bevölkerten Rasen. Obwohl er als Rabenmeister seit dem Tag ihrer Krönung ohne Wenn und Aber verantwortlich für Victorias Sicherheit war, waren Jahre vergangen, seit er und die britische Königin einander Auge in Auge gegenübergestanden hatten. Aber das war die Art der Raben. Es genügte, dass die Königin wusste, dass er und die anderen da waren, stets wachsam und darauf vorbereitet zu handeln. Es gab keine Notwendigkeit, sich sehen oder in irgendwelche gesellschaftlichen Beziehungen verstricken zu lassen. Alles in allem war es nicht klug, persönliche Bindungen zum gerade regierenden Monarchen zu knüpfen. Man wusste nie, wann man vielleicht die Order erhielt, sich seiner zu entledigen.
    Rourke konzentrierte sich und filterte einen einzelnen, schmalen Faden aus einem Gewirr Tausender anderer heraus. Kein Duft und keine Farbe, sondern etwas unendlich Komplizierteres. Eine vermischte Essenz, geformt aus Körperlichkeit und Seele. Binnen Sekunden hatte er ihren deutlichen Abdruck, ihre
Spur
– den fragmentierten Nachweis ihrer Existenz, den sie zurückließ, während sie von
hier

    Er legte den Kopf schräg.
    Nach
dort
ging.
    Sein Blick fiel auf das safrangelbe Zelt, eins der vielen, die sich im Wind kräuselten wie ein Schwarm lethargischer Quallen in der Themse. Rourke trat von der Treppe und schritt mit knirschenden Schritten über die gekieste Terrasse auf die sanft gewellte Rasenfläche. Er passierte den kleinen See, auf dem eine kleine Flotte von Ruderbooten dümpelte, die von Dienern in scharlachroter Livree bemannt waren. Vier Leibwächter aus dem sterblichen Sicherheitstrupp der Königin und acht schneidig uniformierte indische Soldaten, deren Schwertklingen glitzerten, kontrollierten den Umkreis des gegenwärtigen Aufenthaltsorts der Königin.
    Ein junger Wachmann trat energisch vor, als wolle er Rourkes Näherkommen hinterfragen, aber ein älterer Mann mit
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