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Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)

Titel: Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
Autoren: Kim Lenox
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Road war, raste er los – in einem Rausch aus Geschwindigkeit und Macht. Er streifte Ziegelsteine, Holz und Pflaster und entfernte sich vom Tower von London, den Lagerhäusern am Kai und den Mietshäusern. Alles – der Gestank nach totem Fisch vom Ratcliffe Highway und die Granitbögen der Seufzerbrücke – löste sich in Nebel auf, als er vorbeischoss.
    Schließlich waren da die grünen Parks, die hohen Steinmauern und Reihen von palastähnlichen, weißen Stadthäusern. Die dunklen Gestalten zu Pferd oder auf Türschwellen waren gut gekleidete Herren, die nach Hause zurückkehrten, still und diskret, aus privaten Clubs, Spielhäusern oder den Armen ihrer Mätressen.
    Er fand die Zahlen, die in eine Bronzeplakette geprägt waren, und zischte unter der schwarz lackierten Tür hindurch und vorbei an dem Türsteher mit schlaffen Zügen, der schlafend auf einer Bank hockte. Kühler Marmor. Blaue Seide. Reichlich Gold.
    Er huschte die Treppe hinauf und gelangte durch einen Ritz unter der Tür in den Raum. Der Windzug, den er dabei auslöste, löschte die Kerze in der Lampe und ließ die kristallenen Tränentropfen des nicht angezündeten Kronleuchters klimpern. Er materialisierte sich am Fußende ihres Betts, seine Brust hob und senkte sich schnell, und er war immer noch barfuß und trug nur seine legeren Leinenhosen.
    Sie drückte sich hoch, und weißer Satin schmiegte sich um jede ihrer Kurven.
    »Ich wusste, dass du kommen würdest«, flüsterte sie.
    Sie lud ihn mit ausgestreckten Armen ein. Er betrachtete ihr Gesicht nicht weiter – nur ihr Haar, das genau den richtigen Blondton hatte, um ihn sich erinnern zu lassen.
    Und Vergessen zu finden.

1
    Rourke, Lord Avenage, hatte sich auf dem Schlachtfeld den blutrünstigsten Kriegern der Geschichte gestellt und war bis zu den Knien in Blut gewatet; die Erinnerungen daran hätten jeden anderen Mann in den Wahnsinn getrieben.
    Doch jetzt, beim Anblick der Szene vor sich, begriff Englands oberster Rabenmeister, dass er in acht Jahrhunderten als amaranthinischer Unsterblicher bis heute niemals wahre Furcht erfahren hatte.
    Er kniff die Augen zusammen und flüsterte ein Gebet.
    Gott, möge er
dies
überleben – das Gartenfest der Königin.
    Hinter ihm erhob sich die ruhigste und unerschütterlichste aller monarchischen Residenzen: der Buckingham Palast. Um sämtliche ausgedehnten Rasenflächen und Gärten herum schloss sich eine hohe Steinmauer, innerhalb derer etwa fünftausend geladene Gäste weilten. Das gezierte Geplapper und kultivierte Gelächter von zu vielen Stimmen erfüllte die Sommerluft. Da war außerdem der Duft von gemähtem Gras und Steinkraut. Rourke hielt sich an diese Gerüche und machte sich dadurch bewusst, dass inmitten all dieses gekünstelten menschlichen Treibens immer noch etwas Natürliches und Reales zu finden war.
    Nach der Einladung des Oberhofmeisters sollte das Gartenfest von fünf bis sieben stattfinden. Rourke hatte sich um Punkt sechs eingefunden, mit der festen Absicht, den großartigen Auftritt der Königin zu umgehen und damit etwas, das sich sicherlich als eine quälend langsame Prozession durch die Versammlung bewundernder Gäste erweisen würde.
    »Sie haben doch keine Angst vor ihnen, oder?«, spottete eine Männerstimme.
    Rourke warf einen düsteren Blick nach rechts. Wer hatte sich so verstohlen genähert und zu ihm gesellt, dass er nichts davon bemerkt hatte?
    Es gab nicht mehr viel, was ihn überraschte, aber Archer, Lord Black, den ältesten der Vollstrecker unter den Schattenwächtern neben sich zu finden, war unerwartet – und höchst unerfreulich. Das kurz geschnittene Haar in Rourkes Nacken richtete sich auf, als ihm klar wurde, wer in sein Territorium eingedrungen war.
    Innerhalb der unsterblichen amaranthinischen Gesellschaft gab es die Beschützer und die Beschützten. Rourke und der Unsterbliche, der sich zu ihm gesellt hatte, gehörten zur Klasse der Krieger. Obwohl beide Schattenwächter waren und dem Rat der drei Ahnen unterstanden, waren ihre Positionen innerhalb der Organisation doch völlig verschieden.
    Archer war ein Vollstrecker, ein tüchtiger Jäger, der dafür verantwortlich war, sterbliche Seelen aufzuspüren und zu eliminieren, die in ihrem Verfall dermaßen böse geworden waren, dass sie im Begriff standen, den gefährlichen übernatürlichen Zustand der Transzendenz zu erreichen, der es ihnen möglich machen würde, einer Entdeckung, der Gerechtigkeit – und selbst dem Tod zu entgehen.
    Rourkes
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