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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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an sein Ohr drang: »Ach Gero, ich vergaß … Auf ein Wort noch …«
    Die Hände auf dem Rücken verschränkt, lief Otto zwischen der Tür und dem einzigen Fenster auf und ab.
    Gero ging in die Mitte des Saales und verharrte. Plötzlich bemerkte er, daß er auf der Stelle stand, auf der er während der Verhandlung gestanden hatte. Hastig trat er ein Stück beiseite und schaute dabei zum König, der, ihm den Rücken zukehrend, vor dem geschlossenen Fensterladen stehengeblieben war.
    »Entsinnst du dich des verkrüppelten Säuglings?« fragte Otto, ohne sich umzudrehen.
    »Eines Säuglings?« wiederholte Gero in der Annahme, er habe sich verhört.
    »Ja.«
    »Verzeih, Herr König, doch ich begreife nicht.«
    »Nein? Es war fast auf den Tag vor zehn Jahren. Wir waren am Morgen von dieser Pfalz losgeritten und wollten nach Magdeburg, wo sich das Heer sammelte. Des Kindes wegen gab es eine Verzögerung, so daß wir im Wald nächtigen mußten. Mein Vater erlegte einen Ur. Erinnerst du dich jetzt?«
    »Ich stieß erst in Magdeburg zu euch, Herr König.«
    »Wirklich? Sonderbar. Ich hätte geschworen, du seist dabeigewesen.«
    Otto wandte sich um und musterte ihn eingehend.
    »Unterwegs begegneten uns Bauern mit einem neugeborenen Kind«, sprach er danach weiter. »Einer Mißgeburt! Bernhard behauptete, daß dies von schlimmer Vorbedeutung für uns sei, worauf ihn mein Vater verspottete und ihm solche Reden untersagte. Bernhard hielt sich daran, mein Vater hingegen«, er lächelte, »kam, war er mit mir allein, häufig auf dieses Erlebnis zurück. Er ließ sogar Erkundigungen einziehen, was aus dem Kind geworden wäre. Nun, es starb kurz darauf; glücklicherweise hatte es der Bischof zuvor noch getauft.«
    Er krauste die Stirn.
    »In letzter Zeit frage ich mich öfter, ob unser guter Bernhard nicht doch im Recht gewesen sein könnte. Zwar sollte der Feldzug gegen die Heveller mit einem Sieg enden – indes, was heißt das schon! Schließlich beliebt es der Vorsehung zuweilen, uns über ihre tatsächlichen Absichten zu täuschen, indem sie ihren Warnungen zunächst einen Erfolg hinterhersendet. Es wäre daher durchaus möglich, daß das, was damals so hoffnungsvoll begann, von Anfang an unter einem ungünstigen Vorzeichen stand. Oder welcher Auffassung bist du?«
    »Aber Herr König! Wie kannst du nur so reden?« entgegnete der Graf bestürzt.
    »Wie könnte ich anders reden! Es verstreicht kaum eine Woche, in welcher mir meine Gewährsleute nicht gegen mich gerichtete Ränke melden. Statt auf mein Wohl pflegen gewisse Herren auf meinen vorzeitigen Tod zu trinken. Im Mai wird sich zum zwanzigsten Mal die Thronbesteigung meines Vaters jähren. Ich hatte vor, diesen Tag festlich zu begehen, nun muß ich ihn fürchten. Man wird mich mit ihm vergleichen, und was wird sich da zeigen? Das Reich ist entzweit, seine Grenzen sind bedroht … Dir mißfällt, was ich sage?« unterbrach er sich unvermittelt. »So laß uns von etwas anderem sprechen. Wie ist es, bist du mit unserem Urteil zufrieden?«
    »Ich bin es, Herr König. Und ich danke dir von ganzem Herzen.«
    »Wofür?«
    »Dafür, daß du mich vor dem Elend bewahrt hast. Du bist ein wahrhaft gnädiger König.«
    »Ein wahrhaft gnädiger König!«
    Otto verzog den Mund.
    »Weshalb glaubt ihr eigentlich alle, daß mir ein Lob wie dieses schmeichelt? Daß ihr euch nur nicht verrechnet. Ich bin ein Herrscher, so gut wie jeder andere, und will deshalb zuerst an Herrschertugenden gemessen werden. Rede also besser nicht so zu mir; es könnte mich sonst reizen, dir zu beweisen, wie wenig mir an deiner guten Meinung über mich liegt.«
    Er ließ ein kurzes, spöttisches Lachen hören und fuhr fort: »Im übrigen wollte ich nicht dich vor dem Elend bewahren, sondern meinen Namen vor der Schande. Es darf nicht sein, daß unter meiner Regierung eine solche Tat begangen wurde, zumal durch einen Mann, den ich gegen den Widerstand der Großen erhoben hatte. Mit einem Wort: Die Umstände sind dir gnädig, nicht das weiche Gemüt deines Königs. Und da wir gerade davon sprechen, noch dies: Was du getan hast, trage ich dir nicht nach. Wer einen Mann wie dich erhöht, muß wissen, daß er mit dem Feuer spielt; er will es sogar. Auch ich wußte es, wenngleich ich nicht voraussah, was dieses Feuer anrichten würde. Mit Gott werde ich mich auf meine Weise zu versöhnen suchen; ich bin zuversichtlich, daß er mir den Betrug verzeihen wird. Sollte freilich doch noch jemand auftauchen, der
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