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TS 48: Der letzte Flug der XANTHUS

TS 48: Der letzte Flug der XANTHUS

Titel: TS 48: Der letzte Flug der XANTHUS
Autoren: Wilson Tucker
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1. Kapitel
     
    Sie war eine Jägerin.
    Für ihre vertrauten Freunde, deren es nicht viele gab, war sie Kate Bristol – eine Frau von warmer Herzlichkeit und strahlender Persönlichkeit. Diese engen Freunde konnten jedoch an den Fingern einer Hand abgezählt werden, denn sie betrachtete den Gesellschaftswirbel als unbedeutenden Strudel. Ihr Interesse galt mehr der Jagd denn dem Spiel, wobei sie Tiere und Menschenwild als gleichgestellt betrachtete. Der einzige Unterschied war der, daß menschliche Beutestücke häufig ihre Hingabe, mit der sie diese Kunst betrieb, nicht entsprechend würdigten.
    Mit Grazie schritt sie den Korridor entlang.
    Kate Bristol betrat das Büro des Inspektors durch eine Seitentür, für die sie einen Schlüssel besaß. Als sie die Tür hinter sich schloß, murmelte der Inspektor mechanisch eine Begrüßung und blickte dann von seiner Arbeit auf.
    Er bot ihr einen Platz an und begann in den Papierstößen zu wühlen, die den Schreibtisch bedeckten. Schließlich fand er den Gegenstand, den er suchte und reichte ihn ihr hinüber. „Hier ist die Akte.“
    „Ich habe die Akte gelesen“, erinnerte ihn Kate, nahm den Ordner jedoch entgegen und ließ die eingehefteten Blätter über den Daumen gleiten. Die Akte bestand aus ungefähr fünfzig eng mit Maschine beschriebenen Blättern, ferner zahllosen handgeschriebenen Bemerkungen auf den Rändern vieler der Seiten. Der Name eines Mannes – Irvin Webb – und sein Wohnort standen auf der Vorderseite des steifen, blauen Aktendeckels, gemeinsam mit der ihm zugeteilten Aktennummer. Der umfangreiche Papierstoß enthielt einen fast nahezu kompletten Bericht über diesen Mann, sein Schiff und seine Laufbahn. Er enthielt überdies im genauen Detail die Beschreibung der ernsten Lage, in der Irvin Webb sich zur Zeit befand.
    Auf der Rückseite des Aktendeckels standen in kleiner Druckschrift Namen und Adresse der Interwelt-Versicherungs-Gesellschaft. Mehrere Angestellte dieser Firma hatten das Dokument unter der Leitung des Inspektors zusammengestellt. Kate Bristol hatte es nur einmal lesen müssen, um seinen Inhalt ihrem Gedächtnis einzuverleiben.
    Der Ordner enthielt ferner ein Farbfoto von Irvin Webb, und sie betrachtete es von neuem. Sie verfolgte das Netzwerk der harten, tiefen Linien auf seinem Gesicht und Hals und bemerkte die winzigen Krebsnarben in seiner dunkelgebrannten Haut, die seinen armseligen Beruf jedem Kenner offenbarten. Webb war ein Raumtramp.
    „Er ist schon längst überfällig“, sagte sie trocken.
    Der Inspektor nickte. „Hmm, ja, dreiundvierzig Jahre ist er. Damit hätte er die statistische Grenze des erwartbaren Todes oder des Zur-Ruhe-Setzens etwa um fünf bis zehn Jahre überschritten. Und er weiß das. Vielleicht war es diese unbezweifelbare und ein wenig schreckliche Gewißheit, die ihm den Rest gegeben hat.“
    „Sie hören sehr selten rechtzeitig auf.“
    „Habgier“, entgegnete der Inspektor. „Oder Ziellosigkeit. Bei diesem Webb jedoch …“
    „Ich finde, er hat ein zwingendes Motiv.“
    „Sehr zwingend“, nickte der Inspektor. „Es dreht sich um eine ganz beträchtliche Summe. Mit einem Partner tot und dem anderen im Kittchen, – nun, Sie sehen selbst.“
    „Was ist mit dem Mann im Kittchen?“
    „Über den wissen Sie nichts. Vergessen Sie ihn.“
    „In Ordnung, Boß.“ Sie klopfte auf die Akte. „Sie bestehen darauf, daß Irvin Webb unser Hauptverdächtigter ist?“
    „Unbedingt. Anderenfalls hätte ich nicht Sie ausgewählt.“ Er fühlte keine Gewissensbisse darüber, den Fall dieser Frau übergeben zu haben. Er wußte, daß sie eiskalt, tüchtig und ungemein zäh war. „Ich glaube, daß dies Routinearbeit sein wird. Jedenfalls für Sie.“
    „Routine“, wiederholte sie. „Mit allem Drum und Dran.“
    „Aber behutsam, natürlich. Vergessen Sie nicht, daß Sie nur der Verhörbeamte sind, nicht der Richter, noch die Geschworenen oder der Henker. Wir werden das den zuständigen Behörden überlassen, wenn Sie Ihre Untersuchung beendet haben.“
    „Ja, behutsam!“ nickte sie lächelnd. „Er ist ein seltsamer Mensch.“
    „Er ist ein gefährlicher Mensch, wenn ich mich nicht täusche.“
    „Seltsam und wahrscheinlich gefährlich“, nickte sie noch einmal. „Die blaue Akte sagt, daß er außerdem amoralisch sei.“
    „Das ist nur eine Folgerung“, betonte der Mann. „Die Akte weist darauf hin, daß hierfür Beweise fehlen. Ohne Beweise können wir nicht von dieser Voraussetzung
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