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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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von euch möchte anfangen?«
    Niemand meldete sich, und so zeigte Otto nach einer Weile auf Wichmann. »Brich du das Eis, mein Freund. Du bist von uns allen der Erfahrenste. Was meinst du zu Werners Worten?«
    Wichmann, er rieb sich gerade den Rücken seiner Nase, hob die Schultern. »Man muß ihnen wohl beipflichten«, entgegnete er widerstrebend. »Wie heißt es gleich? Wo kein Kläger, da auch kein Richter. Allein aus diesem Grund werden wir nicht umhinkönnen, zu Geros Gunsten zu entscheiden.« Sich am Hals kratzend, setzte er hinzu: »Selbst auf die Gefahr hin, daß er es doch war und sich insgeheim über uns lustig macht.«
    Der König schüttelte heftig den Kopf. »Nein, so geht das nicht. Da es uns an Beweisen mangelt, steht schon jetzt fest, daß Graf Gero diesen Raum als freier Mann verlassen wird. Wir entscheiden lediglich, ob dann noch jener Verdacht an ihm haftet oder nicht. Es ist dies die Entscheidung, die jeder von uns mit seinem Gewissen abmachen, danach allerdings immer und überall ohne den kleinsten Vorbehalt vertreten muß. Äußere also ohne Ausflüchte, ob du den Grafen für schuldig oder für unschuldig hältst.«
    Wichmann nickte. Hierauf bekreuzigte er sich flüchtig und sagte: »Unschuldig.«
    Der König schaute zu Adalmann, worauf man sogleich dessen Feder kratzen hörte. »Und nun du, Bischof.«
    Bernhard faltete die Hände vor dem Unterleib, sah schräg nach unten und hub an: »Eingedenk all dessen, was wir heute vernahmen, dabei nicht außer acht lassend, daß das Furchtbare jenes Geschehnisses bei den Landsleuten der zu Tode gekommenen Fürsten eine Trübung des Urteilsvermögens bewirkt haben könnte, dergestalt, daß ihr Vertrauen in die Gerechtigkeit des Königs erschüttert wurde – eine Möglichkeit, die übrigens auch bei der Erklärung des ansonsten selbstverständlich unverzeihlichen Aufruhrs beiläufig in Betracht gezogen werden sollte, bin ich, dies alles berücksichtigend und mit gebührender Sorgfalt wägend, nach reif –«
    »Schweig!«
    Otto war aufgesprungen, setzte sich aber sofort wieder. Seine Brauen zuckten. »Schuldig oder unschuldig!« rief er, mit der flachen Rechten zu jeder Silbe auf der Armstütze seines Stuhles den Takt schlagend.
    »Nach meinem Dafürhalten ist Graf Gero unschuldig«, erwiderte Bernhard hastig, »ohne jede Einschränkung.«
    »Poppo«, wandte sich Otto an den Kanzler.
    »Ich bin derselben Ansicht, Herr König. Graf Gero ist zweifelsfrei unschuldig.«
    »Nun ist es an mir«, sagte Otto in einem unschlüssigen Ton und erhob sich erneut. Es verging einige Zeit, während der er wie abwesend ins Leere sah. Endlich straffte er sich, blickte Gero in die Augen und sagte mit klarer Stimme: »Nicht schuldig.«
    Er ließ den Satz verklingen und fuhr fort: »Graf Gero, du hast unser Urteil gehört. Deine Ehre ist wiederhergestellt, und wer dich nach dem heutigen Tag noch einen Mörder nennt, riskiert den Verlust seiner Zunge. Vergiß, was du gelitten hast, und empfange dein Schwert zurück, um mir, wie bisher, in Treue zu dienen. Euch, ihr Herren, danke ich für eure Hilfe. Ihr habt euch nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Wahrheit zu erforschen. Dort, wo wir geirrt haben, müssen wir es dem künftigen Gericht anheimstellen, unser Urteil zu berichtigen. Ruht euch jetzt ein wenig aus und vergeßt dabei all die Widerwärtigkeiten, von denen so lange die Rede war. Danach laßt uns gemeinsam speisen … Dies gilt selbstverständlich auch für dich, mein Freund«, fügte er nach kurzem Zögern an Gero gewandt hinzu.
    Für einen Moment war der Graf versucht, die Einladung anzunehmen, aber da traf ihn ein mahnender Blick Werners. Und so bezwang er sich und sagte: »Ich danke dir, Herr König. Mit deiner Erlaubnis möchte ich jedoch unverzüglich aufbrechen.«
    Otto hob die Brauen. »Heute noch? Hast du die Glocke nicht gehört? Du wärst erst gegen Morgen auf deinem Hof.«
    »Ich weiß. Aber die Bekämpfung des Aufruhrs duldet keinen weiteren Aufschub. Nicht eine einzige Stunde möchte ich mehr verlieren.«
    »Oho! Hört ihn euch an! Kann es kaum erwarten, es ihnen heimzuzahlen. Nun, einen Mann, den es zu seiner Pflicht zieht, sollte man nicht aufhalten. Gehabe dich also wohl, Graf Gero, unser aller guten Wünsche reisen mit dir … Werner, du sorgst dafür, daß den Grafen genügend Bewaffnete begleiten.«
    Gero verneigte sich, ging zum Ausgang und verließ mit den anderen den Raum. Er war schon jenseits der Schwelle, als die Stimme des Königs
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