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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt
Autoren: Neal Stephenson
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Ein Thete besucht einen Mod-Salon;
bemerkenswerte Vorzüge moderner Waffensysteme.
    Die Glocken von St. Markus auf dem Berg spielten ihr volles Programm, als Bud zum Mod-Salon skatete, um seine Schädelkanone durch ein besseres Modell ersetzen zu lassen. Bud hatte sich ein hübsches neues Paar Kufen mit einer Spitzengeschwindigkeit zwischen hundert und hundertfünfzig Kilometern zugelegt, je nachdem, wie fett man war und ob man Aero trug oder nicht. Bud trug gern eine hautenge Lederkluft, damit man seine Muskeln sehen konnte. Bei einem früheren Besuch in dem Mod-Salon vor zwei Jahren hatte er sich für gutes Geld eine Schar siten in die Muskeln einpflanzen lassen - kleine Biester, so klein, daß man sie weder sehen noch spüren konnte –, die Buds Muskelgewebe nach einem Programm elektrisch stimulierten, das ihren Umfang maximieren sollte. In Verbindung mit der in seinen Unterarm eingesetzten Testosteronpumpe war das, als würde er Tag und Nacht in einem Studio trainieren, aber man mußte eigentlich gar nichts tun und kam nie ins Schwitzen. Der einzige Nachteil war, daß die winzigen Stromstöße ihn nervös und zappelig machten. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, aber er fühlte sich manchmal trotzdem zittrig auf den Skates, besonders wenn er mit hundert Klicks pro Stunde durch eine belebte Straße bretterte. Aber kaum einer machte Bud an, nicht einmal, wenn er ihn auf der Straße umfuhr, und ab heute würde ihn
nie wieder
jemand anmachen.
    Nach seinem letzten Job -
Lockvogel
- den er bemerkenswert unbeschadet überstanden hatte, stand er mit an die tausend Yuks in der Tasche da. Ein Drittel hatte er für neue Klamotten ausgegeben, hauptsächlich schwarzes Leder, ein Drittel für die Kufen, und das letzte Drittel würde er in dem Mod-Salon verbraten. Natürlich konnte man Schädelkanonen viel billiger bekommen, aber dazu müßte man über den Causeway nach Shanghai rüber und sich von einem Coaster einen Hinterzimmerjob verpassen lassen, und da würde man sich wahrscheinlich eine hübsche Knocheninfektion holen, außerdem würde der Typ einem nur in die Tasche greifen, solange er einen kotisiert hatte. Davon abgesehen konnte man nur nach Shanghai, wenn man Jungfrau war. Wollte man über den Causeway, wenn man schon eine Schädelkanone hatte wie Bud, mußte man einer ganzen Menge Cops in Shanghai scheißviel Schmiergeld bezahlen. Darum brachte es nichts, hier zu knausern. Bud hatte eine einträgliche Karriere voll unbegrenzter Möglichkeiten vor sich und konnte sich in einer Hierarchie extrem gefährlicher Aufgaben in der Drogenszene hocharbeiten, für die ein Lockvogel-Job gewissermaßen eine Art bezahlte Aufnahmeprüfung darstellte. Für den Anfang war ein Waffensystem eine kluge Anschaffung.
    Die verdammten Glocken läuteten weiter durch den Nebel. Bud gab seiner Musikanlage, einer phasengleichen akustischen Anordnung, die sich wie die Kerne einer Erdbeere über seine Trommelfelle verteilten, einen gemurmelten Befehl. Die Lautstärke ging rauf, konnte aber trotzdem nicht die tiefen Klänge der Glocken übertönen, die in seinen langen Knochen vibrierten. Er fragte sich, ob er sich nicht gleich die Batterien aus seiner rechten Brustwarze rausbohren und durch neue ersetzen lassen sollte, wo er schon mal in dem Mod-Salon war. Angeblich hielten sie zehn Jahre, aber er hatte sie schon seit sechs und hörte ständig Musik, und zwar laut.
    Drei Kunden warteten. Bud setzte sich und überflog ein Mediatron auf dem Beistelltisch; es sah genau wie ein schmutziges, zerknittertes leeres Blatt Papier aus. »›Selbstschutz-Annalen‹«, sagte er laut genug, daß alle im Wartezimmer ihn hören konnten. Das Logo seines bevorzugten Lesefutters gerann auf der Seite. Mediaglyphen, überwiegend die coolen animierten, ordneten sich zu einem Gitter. Bud scannte sie, bis er eine gefunden hatte, die eine vergleichende Auflistung unterschiedlicher Geräte kennzeichnete, und schnippte mit dem Fingernagel darauf. Neue Mediaglyphen erschienen und umgaben ein größeres Cinefeld, in dem die Redakteure der
Annahn
Schädelkanonen verschiedener Fabrikate an lebenden und toten Zielen erprobten. Bud warf das Mediatron wie ein Frisbee auf den Tisch zurück; es war derselbe Test, den er den ganzen letzten Tag studiert hatte; es gab noch keine Neuentwicklung, und er blieb bei seiner Entscheidung.
    Einer der Typen vor ihm wollte eine Tätowierung, was etwa zehn Sekunden dauerte. Der andere wollte nur seine Schädelkanone nachladen lassen, was
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