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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt
Autoren: Neal Stephenson
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Keime einer Kalebasse, so groß wie der Mond. Ein paar Andockmasten knospten und wuchsen aus ovalen Cricketfeldern im Source Victoria Park. Das kleinste der drei Luftschiffe war mit dem königlichen Wappen geschmückt; es verweilte in der Luft, während die beiden größeren über ihren Landemulden niedergingen. Ihre mit nichts gefüllten Hülsen waren vorwiegend transparent. Statt das Sonnenlicht zu verschlucken, färbten sie es gelblich, lenkten es ab und brachen es zu hellen und nicht ganz so hellen abstrakten Mustern, welche die Kinder in ihren besten Krinolinen und piekfeinen Anzügen mit kurzen Hosen in ihren Armen aufzufangen suchten. Eine Blaskapelle spielte. Eine winzige Gestalt stand an der Rehling des Luftschiffs Atlantis und winkte den Kindern am Boden. Sie wußten alle, das mußte die Jubilarin selbst sein, Prinzessin Charlotte, und sie jubelten und winkten zurück.
    Fiona Hackworth war zwischen ihren Eltern, die hofften, auf diese Weise verhindern zu können, daß sie ihren Rock mit Erde und Pflanzenteilen beschmutzte, durch das Königlich Ökologische Konservatorium geschlendert. Die Strategie hatte sich als nicht völlig erfolgreich erwiesen, aber mit raschen, bürstenden Bewegungen gelang es John und Gwendolyn, den größten Teil des Schmutzes auf ihre weißen Handschuhe zu übertragen. Von dort wanderte er gleich weiter in die Luft. Die meisten Handschuhe für Gentlemen und Ladys bestanden heutzutage aus winzig kleinen Faserbausteinen, die wußten, wie man Schmutz abstieß; man konnte seine behandschuhte Hand in eine Schlammpfütze stecken, und wenige Sekunden später wäre sie wieder weiß.
    Die Hierarchie der Luxuskabinen an Bord der
Æther
entsprach dem gesellschaftlichen Status der Passagiere perfekt, da diese Teile des Schiffes zwischen den einzelnen Reisen dekompiliert und wieder zusammengesetzt werden konnten. Für Lord Finkle-McGraw, seine drei Kinder samt Ehepartnern und Elizabeth (sein bislang einziges Enkelkind) ließ das Luftschiff einen Privatlift hinab, der sie hinauf in die Suite im Bug mit ihrem Ausblick von fast einhundertachtzig Grad beförderte.
    Achtern von den Finkle-McGraws waren ein rundes Dutzend weitere Dividenden-Lords untergebracht, hauptsächlich im Status von Baronen oder Earls, die größtenteils Enkelkinder statt Kindern in die Kabinen der zweiten Klasse bugsierten. Dann kamen die leitenden Angestellten, deren goldene Uhrketten, an denen winzige Emaillekästchen, Telephone, Leuchten, Schnupftabaksdosen und andere Fetische baumelten, um die dunklen Gehröcke gelegt waren, welche die Herrschaften trugen, um ihre Bäuche zu verdecken. Die meisten ihrer Kinder hatten ein Alter erreicht, wo sie, abgesehen von ihren Eltern, kaum mehr jemand bezaubernd fand; eine Größe, wo ihre Energie als Bedrohung und nicht mehr als ein Wunder betrachtet wurde; und ein Maß an Intelligenz, wo das, was man bei einem Kleinkind Unschuld genannt hätte, nur noch enervierende Grobheit war. Eine Biene, die Nektar sucht, ist trotz der Gefahr, die von ihr ausgeht, etwas Schönes, sieht man jedoch dasselbe Verhaltensmuster bei einer dreimal so großen Hornisse, schaut man sich unwillkürlich nach etwas Greifbarem um, mit dem sich zuschlagen läßt. Daher kam es, daß man auf den breiten Rolltreppen, welche zur ersten Klasse führten, zahlreiche Väter mit schiefen Zylindern, zusammengebissenen Zähnen und nach Zeugen in die Runde schauenden Blicken sehen konnte, die ihre Sprößlinge an den Oberarmen packten und zischend auf sie einsprachen.
    John Percival Hackworth war Ingenieur. Die meisten Ingenieure bekamen winzige Kabinen mit Klappkojen zugewiesen, aber Hackworth trug den gefälligeren Titel Artifex und war Leiter dieses speziellen Projekts, daher wies man ihm eine Kabine zweiter Klasse mit Doppelbett und einer Couch für Fiona zu. Der Steward brachte ihr Gepäck in dem Moment, als die
Æther
den Anlegemast gerade hinter sich ließ - ein zwanzig Meter hohes diamantförmiges Gerüst, das bereits wieder in der Billardtischoberfläche des Ovals versunken war, als das Schiff das Wendemanöver Richtung Süden beendet hatte. Der Park, der in großer Nähe von Source Victoria lag, war von einem Netz katachthonischer Kanäle durchzogen; alles ließ sich binnen kürzester Zeit hier anbauen.
    Die Kabine der Hackworths lag steuerbords, daher konnten sie, während sie sich beschleunigend von New Chusan entfernten, den Sonnenuntergang über Shanghai sehen, der rötlich durch den ewigen Mantel aus
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