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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt
Autoren: Neal Stephenson
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Kohlerauch über der Stadt schien. Gwendolyn las Fiona im Bett eine halbe Stunde Märchen vor, während John die Abendausgabe der
Times
studierte und anschließend einige Unterlagen auf dem winzigen Schreibtisch der Kabine ausbreitete. Später zogen sie beide ihre Abendgarderobe an und putzen sich leise im Halbdunkel heraus, um Fiona nicht zu wecken. Um einundzwanzig Uhr betraten sie den großen Ballsaal der
Æther,
wo der Tanz gerade begann. Der Boden des Ballsaals bestand aus einer Schicht Diamantimitat. Das Licht war gedämpft. Sie schienen über der glitzernden, mondbeschienenen Oberfläche des Pazifik zu schweben, während sie bis tief in die Nacht Walzer, Menuett, Lindy und Electric Slide tanzten.
     
    Bei Sonnenaufgang schwebten die drei Luftschiffe über dem Südchinesischen Meer, kein Land in Sicht. An dieser Stelle war das Meer vergleichsweise seicht, doch das wußten nur Hackworth und einige andere Ingenieure. Den Hackworths bot sich ein annehmbarer Ausblick vom Fenster ihrer Kabine aus, aber John wachte früh auf, steckte ein Terrain auf dem Diamantboden des Ballsaals ab, bestellte einen Espresso und eine
Times
beim Kellner und vertrieb sich die Zeit auf angenehme Weise, während Gwen und Fiona sich auf den großen Tag vorbereiteten. Überall ringsum konnte er Kinder Mutmaßungen darüber anstellen hören, was geschehen würde. Gwen und Fiona stellten sich gerade spät genug ein, daß es interessant für John wurde, der seine mechanische Taschenuhr mindestens ein dutzendmal hervorholte, während er wartete, und sie schließlich krampfhaft in der Hand behielt, während er den Deckel nervös auf- und zuklappte. Gwen schlug die langen Beine übereinander und drapierte ihre Röcke höchst anmutig auf dem transparenten Boden, was ihr verdrossen-giftige Blicke mehrerer Frauen einbrachte, die stehenblieben. Zu seiner Erleichterung stellte John fest, daß es sich bei den meisten dieser Frauen um Ingenieure von vergleichsweise geringem Status oder deren Ehefrauen handelte; niemand der Höhergestellten hatte es nötig, in den Ballsaal zu kommen.
    Fiona sank auf Hände und Knie und preßte, vollkommen außer Fassung, das Gesicht praktisch gegen den Diamanten. Hackworth ergriff die Bügelfalten seiner Hose, zog sie ein kleines Stück hoch und ließ sich auf ein Knie nieder.
    Die SmartKoralle barst mit einer Gewalt aus der Tiefe hervor, die Hackworth erschreckte, obschon er bei der Entwicklung dabeigewesen war und die Probedurchläufe gesehen hatte. Unter der dunklen Oberfläche des Pazifik sah es aus, als würde man eine Explosion durch eine zerschellte Glasscheibe hindurch beobachten. Es erinnerte ihn an den Vorgang, wenn man einen Strahl fettreiche, schwere Sahne in Kaffee schüttete und zusah, wie sie als turbulente fraktale Blume vom Boden der Tasse abprallte, die erstarrte, während sie der Oberfläche entgegenstrebte. Die Geschwindigkeit des Vorgangs war ein sorgfältig geplanter Taschenspielertrick; die SmartKoralle wuchs schon seit drei Monaten auf dem Meeresgrund und bezog ihre Energie aus einer Supercon, die einzig und allein zu diesem Zweck auf dem Meeresboden gezüchtet worden war, indem sie die notwendigen Atome direkt aus dem Meerwasser und den darin gelösten Gasen extrahierte. Der Vorgang, der sich unten abspielte, sah chaotisch aus und war es in gewisser Weise auch; aber jedes Lithokül wußte genau, wohin es gehen und was es tun sollte. Sie waren tetraedrische Bausteine aus Kalzium und Kohlenstoff, so groß wie Mohnsamen, jeder mit einer Energiequelle, einem Gehirn und einem Navigationssystem ausgestattet. Sie stiegen auf ein Signal hin vom Meeresboden empor, das Prinzessin Charlotte gab; sie hatte nach dem Erwachen ein kleines Präsent unter ihrem Kissen gefunden, fand beim Auspacken eine kleine goldene Pfeife an einer Kette, trat auf ihren Balkon und blies hinein.
    Die Koralle näherte sich der Insel von allen Seiten, und einige der Lithoküle mußten mehrere Kilometer zurücklegen, um ihre vorbestimmten Positionen zu erreichen. Sie verdrängten ein Wasservolumen, welches dem der Insel selbst entsprach, alles in allem mehrere Kubikkilometer. Das Resultat war eine rauschende Turbulenz, ein Aufbäumen der Wasseroberfläche, die einige Kinder zu Aufschreien veranlaßte, weil sie dachten, das Wasser würde emporgreifen und das Luftschiff vom Himmel holen; tatsächlich spritzten einige Tropfen gegen die Diamantunterseite des Schiffs, worauf sich der Pilot genötigt sah, etwas höher zu steigen. Das
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