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Rushdie, Salman

Rushdie, Salman

Titel: Rushdie, Salman
Autoren: Luka und das Lebensfeuer
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Salman
Rushdie
     
    Luka und
das Lebensfeuer
     
    Roman
     
    Aus dem
Englischen von Bernhard Robben
     
     
    Magische
Länder, wohin der Blick fällt,
    Innen,
außen, in der Unterwelt.
    Legenden
von Märchenreichen, ungezählt,
    Alle Geschichten
aber machen klar:
    Nur durch
Liebe wird der Zauber wahr.
     
    Schreckliches
geschah in jener schönen, sternenhellen Nacht
     
    Es war
einmal im Lande Alifbay in der Stadt Kahani, da lebte ein Junge namens Luka,
der hatte zwei Haustiere, einen Bären namens Hund und einen Hund namens Bär,
weshalb jedes Mal, wenn er «Hund!» rief, der Bär gutmütig zu ihm gewackelt
kam, und wenn er «Bär!» rief, sprang ihm der Hund entgegen und wedelte mit dem
Schwanz. Hund, der braune Bär, konnte manchmal ein bisschen barsch und
bärbeißig sein, doch war er ein toller Tänzer, der sich gern auf die
Hinterbeine stellte, um mit Grazie und Anmut einen Walzer zu tanzen, eine Polka
oder Rumba, den Watusi oder Twist, aber auch Tänze, die von nicht ganz so weit
herkamen, den gestampften Bhangra, den gewirbelten Ghumar (für den er einen weiten,
mit Pailletten besetzten Rock anzog), den berühmten Kriegertanz Spaw oder den
Thangta, den Pfauentanz aus dem Süden. Bär der Hund war ein schokoladenbrauner
Labrador, ein sanftmütiger, freundlicher Hund, wenn auch leicht aufbrausend und
manchmal zu nervös. Er konnte überhaupt nicht tanzen und hatte, wie man so
sagt, vier linke Füße, doch besaß er wie zum Ausgleich für diese Ungelenkigkeit
die Gabe des absoluten Gehörs, weshalb er lauthals Lieder schmettern und ohne
einen schiefen Ton die Melodien der bekanntesten Songs jaulen konnte. Bär der
Hund und Hund der Bär waren für Luka schon bald mehr als nur Haustiere. Sie
wurden zu seinen engsten Verbündeten und treuesten Beschützern, ja, sie passten
so gut auf ihn auf, dass kein Mensch auch nur im Traum daran dachte, ihm Ärger
zu machen, wenn sie in seiner Nähe waren, nicht einmal sein fieser Klassenkamerad
Rattenschiet, der nur selten etwas Gutes im Schilde führte.
    Wie aber
kam es, dass Luka solch ungewöhnliche Gefährten fand? Nun, er war zwölf Jahre
alt, als eines schönen Tages ein Zirkus in die Stadt zog, und zwar nicht irgendein
Zirkus, sondern der GroRiFe, der Große Ring des Feuers höchstselbst, der
gefeiertste Zirkus von ganz Alifbay mit seiner «berühmten, sagenhaften
Feuerillusion». Deshalb war Luka ja auch so bitter enttäuscht, als ihm sein
Vater, der Geschichtenerzähler Raschid Khalifa, sagte, sie würden nicht zur
Vorstellung gehen. «Bei diesem Zirkus sind sie nicht nett zu den Tieren»,
erklärte Raschid. «Der GroRiFe mag seine Glanzzeiten gehabt haben, seither
aber ist er tief gesunken.» Die Löwin habe Zahnfäule, erzählte Raschid seinem
Sohn, das Tigerweibchen sei blind, die Elefanten seien hungrig, und auch dem
Rest der Menagerie gehe es hundsmiserabel. Der Direktor des Großen Rings des
Feuers sei der mächtige, furchterregende Captain Aag, den man auch den Flammengroßmeister
nannte. Die Tiere fürchteten sich so sehr vor dem Knall seiner Peitsche, dass
sie alle - die Löwin mit den Zahnschmerzen, die blinde Tigerin und die mageren
Elefanten - immer wieder durch Reifen sprangen, sich tot stellten und
Dickhäuterpyramiden bauten, weil sie Angst hatten, Aag könnte wütend werden,
war er doch ein Mann, den man schnell wütend machen, aber nur selten zum Lachen
bringen konnte. Und selbst die Löwin traute sich nicht zuzubeißen, wenn er ihr
seinen Zigarre rauchenden Kopf ins klaffende Maul steckte, weil sie fürchtete,
der Kopf könnte noch in ihrem Bauch beschließen, sie aufzufressen.
    Raschid,
der wie gewöhnlich ein grellbuntes Buschhemd (heute war es zinnoberrot) und
dazu seinen geliebten, reichlich ramponierten Panamahut trug, holte Luka von
der Schule ab und hörte sich auf dem Heimweg an, was es zu erzählen gab. Luka
hatte vergessen, wie die Südspitze von Südamerika heißt, und sie im
Erdkundetest «Hawaii» genannt. Dafür hatte er in der Geschichtsprüfung den
Namen des ersten Präsidenten seines Landes gewusst und ihn richtig
buchstabiert. Im Sport wurde er von Rattenschiet mit dem Hockeyschläger am Kopf
getroffen, aber Luka hatte zwei Tore geschossen und die gegnerische Mannschaft
besiegt. Außerdem hatte er endlich gelernt, mit den Fingern zu schnipsen, dass
es richtig schön knallte. Also hatte der Tag seine guten wie schlechten Seiten
gehabt und war bislang gar nicht mal übel gewesen, allerdings sollte er noch zu
einem wirklich
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