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Diamond Age - Die Grenzwelt

Titel: Diamond Age - Die Grenzwelt
Autoren: Neal Stephenson
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brüske Manöver entlockte sämtlichen Vätern im Ballsaal, die entzückt auf die Illusion von Gefahr und die Ohnmacht der Natur reagierten, herzliches Gelächter.
    Gischt und Dampf verzogen sich auf einer gewissen Länge und gaben eine neue Insel frei, lachsfarben im Licht der Dämmerung. Applaus und Jubelrufe klangen zu einem geschäftigen Murmeln ab. Das Schwatzen der aufgeregten Kinder war zu laut und hoch, um gehört zu werden.
    Es würde alles in allem noch zwei Stunden dauern. Hackworth schnippte mit den Fingern nach einem Kellner und bestellte frisches Obst, Saft, Waffeln, noch mehr Kaffee. Sie konnten gut und gerne die erlesene Küche der
Æther
genießen, während auf der Insel Schlösser, Faune, Zentauren und Zauberwälder entstanden.
    Prinzessin Charlotte war der erste Mensch, der einen Fuß auf die verzauberte Insel setzte; sie trippelte mit einigen ihrer kleinen Freundinnen im Schlepptau, die mit ihren bändergeschmückten Sonnenhütchen allesamt wie winzige Wildblumen aussahen und ausnahmslos kleine Körbchen mit Souvenirs trugen, welche freilich recht bald den Gouvernanten übergeben wurden, die Gangway der
Atlantis
hinunter. Die Prinzessin drehte sich zur
Æther
und der
Chinook
herum, die zweihundert Meter entfernt vertäut lag, und wandte sich mit normaler Stimme an sie, die dennoch allerorten deutlich gehört wurde; irgendwo im Spitzenkragen ihrer Kinderbluse mußte ein Nanophon verborgen sein, das mit phasengleichen Audiosystemen verbunden war, die in den obersten Schichten der Insel selbst wuchsen.
    »Ich möchte Lord Finkle-McGraw und allen Angestellten von Machine-Phase Systems GmbH für dieses wunderbare Geburtstagsgeschenk danken. Und nun, Kinder von Atlantis/Shanghai, würdet ihr mir bitte bei meiner Geburtstagsfeier Gesellschaft leisten?«
    Die Kinder von Atlantis/Shanghai schrien allesamt ja und stürmten die zahlreichen Gangways der
Æther
und
Chinook
hinunter, die aus gegebenem Anlaß alle zusammen hinabgelassen worden waren, um Rückstaus zu vermeiden, bei denen es zu Verletzungen oder, Gott bewahre, rüdem Gebaren kommen konnte. In den ersten Augenblicken stoben die Kinder einfach von den Luftschiffen weg wie Gasbläschen aus einer Flasche. Dann näherten sie sich den Objekten des Staunens: Ein Zentaur, zweieinhalb Meter hoch und keinen Zentimeter weniger, der mit seinem Sohn und seiner Tochter im Gefolge über eine Wiese spazierte. Einige Babydinosaurier. Eine Höhle an einem Berg, leicht abwärts geneigt, deren Öffnung weitere zauberhafte Wunder versprach. Eine Straße, die serpentinenförmig einen anderen Berg hinauf zu einer Schloßruine führte.
    Die Erwachsenen blieben überwiegend an Bord der Luftschiffe und ließen den Kindern etwas Zeit, sich zu zerstreuen, obschon man Lord Finkle-McGraw sehen konnte, der sich auf dem Weg zur
Atlantis
befand und unterwegs mit seinem Spazierstock neugierig in der Erde stocherte, als wollte er ganz sicherstellen, daß der Boden für königliche Füße geeignet war.
    Ein Mann und eine Frau schritten die Gangway der
Atlantis
hinab: in einem Blumenkleid, welches die verschwommene Grenze zwischen Schamhaftigkeit und sommerlichem Wohlbefinden auslotete, und mit einem Sonnenschirm passender Farbe ausgestattet, Queen Victoria II. von Atlantis. In einem eleganten beigen Leinenanzug, ihr Ehemann, der Prinzgemahl, dessen Name bedauerlicherweise Joe lautete. Joe, oder Joseph, wie er bei offiziellen Anlässen genannt wurde, trat mit einer gewissermaßen pompösen Ein-kleiner-Schritt-für-den-Menschen-Gangart als erster von der Gangway, worauf er sich zu Ihrer Majestät umdrehte und ihr die Hand darbot, welche sie anmutig, doch beiläufig, akzeptierte, als wollte sie allen ins Gedächtnis rufen, daß sie in Oxford Sport getrieben und während des Studiums an der Stanford B-School mit Schwimmen, Rollerskaten und Jeet Kune Do Dampf abgelassen hatte. Lord Finkle-McGraw verneigte sich, als die königlichen Espandrilles den Boden berührten. Sie bot ihm die Hand dar, die er küßte, eine Anzüglichkeit, aber statthaft, wenn man alt genug war und Anstand besaß wie Alexander Chung-Sik Finkle-McGraw.
    »Wir danken Lord Finkle-McGraw, Imperial Tectonics GmbH, und Machine-Phase Systems GmbH wieder einmal für dieses bezaubernde Schauspiel. Und nun wollen wir uns alle an der prachtvollen Umgebung erfreuen, bevor sie, wie das erste Atlantis, für immer in den Fluten versinkt.«
    Die Eltern von Atlantis/Shanghai defilierten die Gangways hinab, doch viele hatten sich in
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