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Danielle Steel

Danielle Steel

Titel: Danielle Steel
Autoren: Traumvogel
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Sie wurde in den Wohlstand hineingeboren und genoss ein behagliches Leben. Ihr Vater, John Barrett, war der Spross einer angesehenen Bostoner Fam ilie. Er hatte Eliz abeth Palmer geheiratet, deren Vermögen sein eigenes noch um Einiges überstieg. Beide Familien waren über diese Verbindung sehr erfreut gewesen. Kates Vater hatte in Bankerkreisen lange Zeit wegen seines treffsicheren Urteilsvermögens und seiner klugen Investitionen hohes Ansehen genossen. Doch der Zusammenbruch der Börse 1929 hatte ihn und Tausende andere in den Abgrund gerissen. Glücklicherweise hatten die Palmers darauf geachtet, dass Elizabeth nach der Heirat mit John das eigene Vermögen behielt. Elizabeths Familie nahm sich weiterhin ihrer finanziellen Angelegenheiten an. Wie durch ein Wunder überstand sie den Crash daher nahezu unbeschadet. John Barrett hingegen verlor sein gesamtes Vermögen. Elizabeth tat alles, um ihren Mann zu unterstützen und ihm wieder auf die Füße zu helfen. Doch das Unglück nagte an Johns Existenz. Drei seiner besten Kunden und Freunde erschossen sich wenige Monate, nachdem sie ihr Verm ögen verloren hatten, und es dauerte zwei Jahre, bis sich Johns eigene Verzweiflung schließlich Bahn brach. Er verbarrikadierte sich im Obergeschoss in ein em der Schlafzimmer, sprach mit kaum jemandem und ka m nur äußerst selten heraus. Die Bank, die seine Familie gegründet und die er beinahe zwanzig Jahre lang geleitet hatte, war bereits zwei Monate nach dem Zusammenbruch geschlossen worden. John zog sich immer mehr zurück, lebte wie ein Einsiedler, und nur Kates Anblick konnte ihn aufheitern. Die Kleine war zwar erst sechs Jahre alt, doch sie ging oft hinauf und brachte ihm etwas Süßes oder ein Bild, das sie für ihn gemalt hatte. S ie spürte, dass ihr Vater sich in einem Labyrinth der Verzweiflu ng verirrt hatte, und instinktiv versuchte sie, ihn hinauszuführen, was ihr aber nicht gelang. Gelegentlich war seine Tür auch für sie verschlossen, andere Male verbot Elizabeth ihrer Tochter, nach oben zu gehen. Sie
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wollte nicht, dass die Kleine ih ren Vater betrunken und ungewaschen sah. John lag oft den ganzen Tag lang im Bett. Einen solchen Anblick wollte Elizabeth ihrer Tochter ersparen. Im Septem ber 1931, zwei Jahre nach dem Cras h, nahm sich John Barrett das Leben. Er war der letzte männliche Erbe seiner Familie gewesen und ließ seine Frau und sein Kind zurück. Elizabeths Vermögen war bis dahin unangetastet geblieben. Kate erinnerte sich genau an den Augenblick, als ihre Mutter ihr vom Tod ihres Vaters erzählte. Sie war im Kinderzim mer, trank heiße Schokolade und hatte ihre Lieblingspuppe im Arm, als ihre Mu tter den Raum betra t. Sie spürte sofort, dass etwas Schreckliches geschehen war. Sie schaute ihrer Mutter in die Augen, und plötzlich vernahm sie das unaufhörliche Ticken der Wanduhr. Ihre Mutter weinte nicht. Mit ruhiger Stimme erklärte sie Kate, dass ihr Vater fort gegangen war, um bei Gott i m Himmel zu sein. Sie sagte, dass er in den vergangenen beiden Jahren sehr traurig gewesen sei und dass er nun glücklich im Himmel lebe.
    Noch während ihre Mutter sprach, hatte Kate das Gefühl, als bräche die ganze Welt über ihr zusammen. Sie konnte kaum atmen, die Tasse fiel ihr aus der Hand. Sie wusste, dass ihr Leben nie mehr so sein würde wie zuvor.
    Beim Begräbnis ihres Vaters be wahrte Kate eine geradezu feierliche Haltung, doch sie bekam nichts m it. Sie musste unentwegt daran denken, dass ihr Vater sie und ihre Mutter verlassen hatte. Sie war von vielen Menschen umgeben und schnappte Satzfetzen auf wie: Gebrochenes Herz … niemals erholt … sich erschossen … großes Vermögen verloren … glücklicherweise nichts m it Elizabeths Vermögen zu tun gehabt …
    Nach außen hin blieb alles, wie es war. Elizabeth und Kate lebten im selben Haus, traf en dieselben Menschen. Kate ging weiter zur Schule, und wenige Tage nach dem Tod ihres V aters
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kam sie in die dritte Klasse.
    Noch Monate später fühlte sie sich wie benommen. Der Mann, dem sie vertraut, den sie so ge liebt und zu dem sie aufgeblickt hatte – und der seinerseits seine kleine Tochter ganz offensichtlich vergöttert hatte –, war f ort, hatte sie o hne Ankündigung oder irgendeine Erklärung zurückgelassen. Es gab für Kate keinen Grund, den sie hätte verstehen können. Sie begriff nur, dass er fort war und dass sich ihr Leben in all den Dingen, die wirklich wichtig waren, für immer verändert hatte. Ein großer Teil
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