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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung
Autoren: berry
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    In Russland wird selbst das scheinbar Unmögliche möglich.
    – Zar Peter der Große (1672–1725)
     
    Für Russland kommt die Zeit, die schwarz vergällt; Vom Haupt des Zaren dann die Krone fällt, Der königliche Thron versinkt im Kot, Und viele nähren sich von Blut und Tod.
    – Michail Lermontow (1830)
     
    Russland: ein geheimnisvoller dunkler Kontinent, ein, wie es Winston Churchill ausdrückte, »Rätsel, eingehüllt in ein Mysterium, und das wiederum umgeben von einem Geheimnis«; abgelegen, Ausländern unzugänglich und selbst den Einheimischen unerklärbar. Das ist der Mythos, den die Russen selbst bestärken, weil sie nicht wollen, dass irgendjemand herausfindet, wer sie wirklich sind und wie sie wirklich leben.
    –Robert Kaiser: »Russia: The People And The Power« (1984). »Alle Kinder Lenins«, Rowohlt Verlag. (Übersetzung von Reinhold Neumann-Hoditz)
     
    Bei all ihren Irrungen und Wirrungen muss die Geschichte Russlands gegen Ende des [zwanzigsten] Jahrhunderts als eine Art von Erneuerung begriffen werden.
    – David Remnick: »Resurrection: The Struggle For A New Russia« (1997).
    Prolog
    Alexanderpalast
    Zarskoje Selo
    28. Oktober 1916
     
    Die Tür ging auf, und Alexandra, Kaiserin von ganz Russland, wandte zum ersten Mal seit Stunden ihren Blick von dem leidenden Kind im Krankenbett ab.
    Ihr Freund eilte ins Schlafzimmer, und sie brach in Tränen aus. » Endlich, Vater Grigori. Dem allmächtigen Gott sei Dank. Der kleine Alexej braucht dringend Ihre Hilfe.«
    Rasputin trat ans Bett und bekreuzigte sich. Sein blaues Seidenhemd und seine Samthose rochen nach Alkohol, der seinen stechenden Körpergeruch halbwegs überlagerte. Er stinke wie ein Ziegenbock, hatte eine der Hofdamen einmal behauptet. Alexandra aber hatte der Gestank nie gestört. Nicht, wenn er von Vater Grigori ausging.
    Schon vor Stunden hatte sie nach ihm geschickt, nachdem ihr eingefallen war, wie gern er sich angeblich bei den Zigeunern am Rande der Hauptstadt aufhielt. Immer wieder einmal, so hieß es, zeche er dort die ganze Nacht über in der Gesellschaft von Huren. Einer ihrer Leibwächter beteuerte sogar, Rasputin habe mit heruntergelassener Hose auf dem Tisch getanzt und damit geprahlt, welche Freude sein stattliches Organ den Damen des Zarenhofs bringe. Alexandra weigerte sich, derartigem Gerede Glauben zu schenken, und ließ denjenigen, der das Gerücht verbreitet hatte, unverzüglich an einen fernen Ort weitab der Hauptstadt versetzen.
    »Bereits seit der Dämmerung suche ich nach Ihnen«, erklärte sie verzweifelt.
    Rasputin aber richtete sein Augenmerk ganz auf den Jungen. Er fiel auf die Knie. Alexej war seit fast einer Stunde nicht mehr bei Bewusstsein. Am späten Nachmittag war er beim Spielen im Garten gestürzt, und keine zwei Stunden später hatten die Schmerzen eingesetzt.
    Alexandra sah gebannt zu, wie Rasputin die Decke zurückschlug und das rechte Bein des Jungen begutachtete, das schon ganz blau und auf fast groteske Weise angeschwollen war. Unter der Haut pulsierte heftig das Blut; das Hämatom hatte die Größe einer kleinen Melone erreicht. Ihr Sohn hatte das Bein an die Brust gezogen; aus seinem schmalen Gesicht war, von den dunklen Schatten unter den Augen abgesehen, jegliche Farbe gewichen.
    Zärtlich strich sie das hellbraune Haar des Kindes zurück.
    Gott sei Dank hatte er wenigstens aufgehört zu schreien. Die Krämpfe kamen mit brutaler Regelmäßigkeit jede Viertelstunde wieder. Obwohl er delirierte, gab er noch immer ein anhaltendes, herzzerreißendes Wimmern von sich.
    In einem lichten Moment flehte er zuerst Gott um Hilfe an und bat dann: »Mama, hilf mir doch!« Er fragte, ob der Schmerz aufhöre, wenn er stürbe. Sie brachte es nicht übers Herz, ihm die Wahrheit zu sagen.
    Was hatte sie nur getan? Alles war ihre Schuld. Es war allgemein bekannt, dass Frauen die Bluterkrankheit weitergaben, ohne selbst davon betroffen zu sein. Ihr Onkel, ihr Bruder und ihre Neffen waren allesamt daran gestorben, und doch war sie nie auf den Gedanken gekommen, sie selbst könne Überträgerin der Krankheit sein. Ihre vier Töchter hatten sie keines Besseren belehrt; erst als sie vor zwölf Jahren den lang ersehnten Sohn gebar, hatte die schmerzliche Wahrheit sie eingeholt. Zuvor hatte sie nicht ein einziger Arzt auf das Risiko hingewiesen. Aber hatte sie selber je danach gefragt? Niemand schien gewillt, von sich aus etwas preiszugeben. Selbst unverblümten Fragen wich man nur allzu oft mit
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