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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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sie vor einem halben Menschenalter Pannonien erobert und sich dort festgesetzt hatten, waren sie zum erstenmal in ostfränkisches Gebiet eingefallen, und seither suchten sie es fast jährlich, alles verwüstend, heim. In ungeordneten Haufen drangen sie vor, brannten Dörfer und Klöster nieder, raubten, vernichteten, töteten. An Gefangenen lag ihnen wenig. Da sie wegen ihrer unsteten Lebensweise für Sklaven kaum Verwendung hatten und zudem, wie man hörte, glaubten, daß jeder, der durch ihr Schwert starb, ihnen im Jenseits dienen müsse, wurden mitunter selbst Frauen und Kinder von ihnen abgeschlachtet.
    Kam es zum Gefecht, bildeten sie zwei Abteilungen, die abwechselnd gegen das feindliche Zentrum anstürmten und es mit einem Hagel von Pfeilen überschütteten. Sowie sie merkten, daß die Reihen des Gegners ins Wanken gerieten, setzten sie, schrille Schreie ausstoßend, auf ihren kleinen, jedoch schnellen Pferden hinterher und machten alles nieder. Lange Belagerungen vermieden sie, hatten die im schlechtbefestigten Sachsen allerdings auch kaum nötig.
    Die schwerfällige Landwehr, aber auch die berittenen Vasallenheere standen ihrer Taktik zumeist machtlos gegenüber. Nicht oder nur notdürftig gepanzert und an den Kampf Mann gegen Mann gewöhnt, hatten sie den Pfeilschwärmen nichts entgegenzusetzen, und selbst da, wo sie ihnen widerstanden, gelang es nicht, den flinken Feind zu stellen.
    Was zu tun war, lag auf der Hand: Einmal benötigte man Burgen, welche die in der Herstellung von Belagerungsgerät unerfahrenen Reiterscharen nicht einnehmen und in denen die eigenen Bauern samt ihrem Vieh und sonstiger Habe Zuflucht finden konnten. Zum anderen mußte eine Streitmacht her, die der Kampfesweise dieser Nomaden gewachsen war. Beides erforderte jedoch Zeit, viel mehr Zeit, als zwischen den Sommerfeldzügen der Ungarn blieb.
    Da kam die göttliche Fügung zu Hilfe und ließ einen ihrer Anführer in sächsische Gefangenschaft geraten. Es mußte einer von Rang gewesen sein, denn für seine Freilassung sowie die regelmäßige Entrichtung eines Tributes verpflichteten sich seine Leute zu einem neunjährigen Waffenstillstand, den sie bislang auch eingehalten hatten. Und Heinrich nutzte die Frist, ließ Burgen bauen und verfallene oder zerstörte Befestigungen erneuern; selbst Klöster mußten sich mit einer Mauer umgeben. Den Burgen wurde Land zugeteilt, das die Besatzungen zu bestellen hatten, so daß sie sich selbst verpflegen und vor allem Vorräte anhäufen konnten. Im Ernstfall würden sie nicht nur die Bauern der umliegenden Ortschaften aufnehmen und schützen können, sondern auch eine Bedrohung im Rücken der Eindringlinge darstellen.
    Festungen, die im Inneren des gefährdeten Raumes lagen und von denen man daher erwarten durfte, daß sie nicht sogleich überrannt werden würden, war eine etwas andere Aufgabe zugedacht. Ihre Besatzungen wurden mit den kostspieligen, aber pfeilsicheren Kettenpanzern ausgerüstet und mehrmals im Jahr zu Kriegsspielen zusammengerufen, bei denen der Reiterkampf in geschlossener Formation geübt werden mußte. Diese Männer sollten den Kern des Verteidigungsheeres bilden und gemeinsam mit der Landwehr den Gegenschlag führen.
    Da alle unter den Ungarn zu leiden hatten, überraschte es nicht, daß die Vorbereitungen zu ihrer Abwehr auf keinerlei Widerstand trafen. Dennoch beeindruckte es Heinrich, mit welchem Eifer seine Anordnungen befolgt wurden. Ohne zu murren, kamen die sonst so widerspenstigen sächsischen Bauern mit ihren Gespannen zum Burgenbau, und der Adel machte kaum Ausflüchte, wenn es darum ging, Dienstleute für die Grenzfestungen und die Panzerreiterei abzustellen. Während einer Rundreise durch Nordthüringen kam dem König ein Gedanke, der an sich in der Luft lag, ihn, da er nur selten Muße zum Grübeln hatte, jedoch erst jetzt erreichte: daß nämlich die Ungarn nicht nur eine Bedrohung waren – halfen sie ihm doch, Ziele zu erreichen, deren direkte Verwirklichung sehr viel mehr Kraft und Kampf gekostet hätte. Es war schon merkwürdig: Die da so emsig gruben, Steine heranfuhren und zimmerten, arbeiteten nicht bloß an der Niederlage des äußeren Feindes, sondern auch an ihrer künftigen eigenen, schienen davon aber nichts zu ahnen. Die Herzöge wiederum mochten tun und lassen, was sie wollten, jeder Sieg über den Gegner würde den König stärken und ihre Macht schmälern.
    Daher beschloß er, alles zu unterlassen, was nicht dazu diente, den Sieg über die
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