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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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Ungarn sicherzustellen, sich von der Woge dieses Himmelsgeschenkes solange tragen zu lassen, bis sie verebbte.
    Bald stellte sich indes heraus, daß es offenbar unmöglich war, mehrere Jahre einen Krieg vorzubereiten, ohne die Männer, die ihn führen sollten, zwischendurch einen wirklichen Kampf erleben zu lassen. Ständig und ohne Not lediglich zu üben, was sie, wie sie meinten, sowieso konnten – sich zu schlagen –, das war zu ungewohnt für sie … Lächerlich, auf die Dauer aber einfach lästig war es, zertrümmerte Mühlsteine von einer Burg zielsicher herunterzuwerfen – dabei laufend die Position zu wechseln, um den Gegner über die Stärke der Besatzung zu täuschen – und sie anschließend wieder hinaufzutragen und zu stapeln; während plötzlicher Ausfälle Brücken zu bauen, die nachher wieder abgerissen werden mußten, weil sie im Ernstfall nicht den Ungarn zugute kommen sollten; sich beim Trab auf ein Kommando hin blitzschnell mit den Schilden zu decken, um einen Pfeilhagel (den Knechte mit Zapfen nachahmten) abzufangen, danach gegen ein Feld von Strohpuppen anzureiten und auf sie einzudreschen, daß die Halme flogen … Anfangs bogen sich die Leute noch vor Lachen, taten aber mit, doch es kam der Zeitpunkt, an dem auch die Gutwilligsten die Lust verloren. Ein Heer, das, gut ausgebildet und diszipliniert, auf Abruf bereitstand, stampfte man, das zeigte sich nun, nicht so leicht aus dem Boden.
    In den Festungen wurden die Kriegsübungen vernachlässigt, wer vorher Bauer gewesen war, sank, ohne den Stachel wirklicher Gefahr, rasch wieder in seine alte Lebensweise zurück. Die ehemaligen Gefolgsleute jedoch, diese geborenen Raufbolde, wurden zu einer wahren Landplage. Als sie noch bei ihren früheren Herren herumgelungert hatten, wußten sie wenigstens, wozu sie lebten: Heute mußte ein geflüchteter Knecht eingefangen werden, morgen galt es, einen störrischen Liten an seine Verpflichtungen zu erinnern und nach einem nächtlichen Gelage mit dem Nachbarn eine alte Rechnung zu begleichen: seine Heuschober und Bienenstöcke anzuzünden oder seinen Dienstleuten aufzulauern, sie auszupeitschen und mit geschorenen Köpfen nach Hause zu schicken. Für all das erhielt man nicht nur Essen und Kleidung, sondern dann und wann auch noch ein Geschenk.
    Nun gab es keine Geschenke mehr, statt Beutemachen hieß es arbeiten, und wie zum Hohn sollte man sich den Rest der Zeit mit kindischen Spielen vertreiben. Das konnte nicht gutgehen – und es ging auch nicht gut.
    Während der König noch mit der Erkenntnis rang, daß es sich als ein verhängnisvoller Fehler erweisen könnte, die kostbare Streitmacht weiterhin gleichsam aufsparen zu wollen, mehrten sich Meldungen über geplünderte Gehöfte, gestohlenes Vieh, vergewaltigte Frauen. Die Bauern setzten sich zur Wehr, und bald gab es auf beiden Seiten die ersten Toten.
    Anfang des Jahres neunhundertachtundzwanzig stand für Heinrich fest, daß etwas geschehen mußte. Doch die Ungarn schon jetzt herauszufordern, indem man ihnen im Herbst den fälligen Tribut verweigerte, das mochte er nicht riskieren. Noch fehlte es an Fluchtburgen, die Verluste an Menschen, Tieren und Vorräten würden daher hoch sein. Der Sieg aber mußte eindeutig ausfallen, sonst waren womöglich alle Anstrengungen vergebens. Und so drängten ihn die Umstände allmählich dahin, einen Feldzug gegen jenes Gebiet zu erwägen, das, wie er wußte, die Gedanken seiner beutegierigen Krieger schon längst beschäftigte – das Slawenland im Osten.
    Die Nachrichten von dort flossen etwas spärlicher, seitdem die Großen des ostfränkischen Reiches – vollauf davon in Anspruch genommen, ihre eigenen Angelegenheiten zu ordnen – die Überfälle auf ihre Nachbarn eingestellt hatten. Heinrich selbst hatte vor mehr als zwanzig Jahren, noch im Auftrag seines Vaters, die Daleminzer bekriegt und ihnen viel Schaden zugefügt – was diese übrigens veranlaßte, die Ungarn zu Hilfe zu holen. Diese Hilfe war so nachhaltig gewesen, daß – da an ähnliche Unternehmungen vorerst nicht mehr gedacht werden konnte – das Interesse der Sachsen an den Verhältnissen in dieser Gegend für lange Zeit erlosch.
    Natürlich trieb man, wie eh und je, wenn nicht gerade Krieg war, Handel miteinander. Und natürlich wußte man, daß rechts der Elbe seßhafte Menschen lebten, die den Boden bebauten und Vieh züchteten: Im Norden die Obodriten und Wilzen, im Süden die Lusizer, Milzener, Daleminzer und die vielen
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