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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg
Autoren: Wolfgang David
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betrachtete den Bischof zweifelnd. »Nein, du bist es, der sich irrt. Gesagt hat er es zwar nicht, wohl aber gemeint. Daß du das nicht begriffen hast …« Er brach in Lachen aus. »Nun sei nicht gekränkt. Ich gebe zu, auch ich habe nicht sofort erkannt, worauf der König hinauswollte.«
    Fassungslos starrte ihn Bernhard an. In der Klosterschule war er stets einer der Besten gewesen, nicht nur in Fächern, die für einen künftigen Kleriker von erstrangiger Bedeutung waren, sondern auch in solchen, die einfach Gewandtheit des Denkens verlangten. Ein Rätsel wie dieses: Der Sohn eines Mannes heiratet eine Witwe, sein Vater ihre Tochter – wie sind die Kinder aus beiden Ehen miteinander verwandt? hatte ihn bereits als Elfjährigen nicht in Verlegenheit bringen können. In einem Alter, in dem der Graf vermutlich noch nicht einmal ein beschriebenes Pergament gesehen hatte, war er, Bernhard, anläßlich einer Visitation durch den Erzbischof dafür belobigt worden, daß er blitzschnell Definitionen herzusagen vermochte. (Was ist die Zunge? – Eine Geißel der Luft.) Seitdem hatte er seine Kenntnisse unaufhörlich vervollkommnet. Er war imstande zu begründen, weshalb das höllische Feuer zwar brannte, aber nicht leuchtete, wußte einigermaßen über die Rangordnungen am himmlischen Hof Bescheid, konnte über die Arten und die Dauer der im Jüngsten Gericht verhängten Strafen dozieren sowie zwingend darlegen, in welcher Gestalt die Toten einst auferstehen werden. Er beherrschte Latein und die Zeichensprache mittels der Finger, hatte jedoch von jener Unterhaltung offenkundig weniger verstanden als dieser ungebildete Kriegsmann. Das erschütterte ihn.
    »Schau nicht so betrübt drein«, sagte Siegfried, der die Bestürzung des Bischofs auf seine Weise auslegte. »Gott weiß, daß ich dir gern den Gefallen getan und deinen Mann geschont hätte. Aber der König hat es anders beschlossen. Und obwohl ich mit dir fühle, kann ich doch nicht umhin, zuzugeben, daß er richtig entschieden hat. Denn durch seinen Tod nützt uns dieser Bauer gegenwärtig mehr als durch alle Heldentaten, die er später vielleicht begangen hätte.«
    »Aber warum bloß?« ließ sich in diesem Moment der junge Otto vernehmen. »Wenn der Mann nach Hause kommt, wird er Wergeld zahlen und Buße tun. Prügel kriegt er außerdem. Genügt das nicht? Mir scheint, daß es genügt. Auf mich hört der Vater nicht, aber auf dich, Siegfried, hält er große Stücke. Deshalb solltest du versuchen, ihn umzustimmen. Denn ist sein Zorn erst verraucht, bereut er gewiß diesen grausamen Befehl.«
    Lächelnd sah der Graf auf ihn herab. »Dein Wunsch ehrt dich«, sagte er, »spricht doch aus ihm der künftige König, dem es widerstrebt, leichtfertig Blut zu vergießen. Hier allerdings handelt es sich um ein notwendiges Opfer. Wie du weißt, besteht unser Heer nicht nur aus Männern, die den Kampf lieben. Zudem werden durch die Widrigkeiten des Krieges Züchtigungen und selbst der Tod ihren Schrecken für sie verlieren. Es ist darum von Vorteil, ihnen beizeiten die Zähne zu zeigen und, falls möglich, auch kräftig zuzubeißen. Um sie einzuschüchtern, bedarf es freilich eines Anlasses, der sich am Beginn eines Feldzuges leider selten findet. Die Tat dieses Bauern kommt uns daher wie gerufen, was dein Vater im Unterschied zu mir sofort erkannt hat. Aus allen diesen Gründen«, schloß er mit einem kleinen Lachen, »werde ich mich hüten, ihm von deiner Bitte auch nur zu erzählen. Hast du nun verstanden?«
    Otto nickte stumm. Plötzlich erhob er sich und schleuderte das Stöckchen fort, worauf sich Bischof Bernhard, den diese Gebärde an den gestrigen Abend erinnerte, unwillkürlich duckte.
    Währenddessen stand Herpo noch immer zwischen seinen beiden Bewachern, und obwohl ihm der ganze Körper schmerzte, fühlte er sich nicht schlecht. Denn die Würfel waren gefallen. Das Wergeld für den Getöteten konnte er niemals aufbringen, sich aber verknechten zu lassen, zog er gar nicht erst in Betracht. Nicht nach dieser Nacht, in der er von vier betrunkenen Dienstmännern des Grafen wie ein Unfreier mißhandelt worden war. Sie hatten ihn in den Wald geschleppt, hier seine Fesseln gelöst und sich dann an ihm ausgetobt. Vielleicht beließ man es bei dieser Strafe, andernfalls würde er wegen einiger Hiebe mehr auch nicht zerbrechen. Er würde hinnehmen, was man über ihn verhängte, und danach dorthin gehen, wo ihn nie wieder jemand drangsalieren konnte. Banden gab es
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